© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/23 / 03. März 2023

Grüße aus … Brüssel
Glück im Unglück
Arthur Reval

Einmal im Monat zieht der EU-Parlamentstroß von Brüssel nach  Straßburg. Grundsätzlich präferieren die Bürger, wenn sie durch eines der über 700 Mitglieder des EU-Parlaments – kurz MEP – eingeladen werden, Straßburg als Besuchsort. Da gibt es die gute elsässische Küche, den feinen elsässischen Wein und natürlich die putzige Straßburger Altstadt. Politik ist da wahrscheinlich nur am Rande interessant. 

Sie müssen wissen, daß so ein Besuch strikt reguliert ist. Ich möchte nicht ins Detail abschweifen, aber wehe Sie sitzen im Besuchertrakt des Plenums und denken nur daran Ihre Handykamera zu zücken und ein Foto von dem Sitzungssaal zu machen, der wie der intergalaktische Rat bei „Krieg der Sterne“ anmutet. Dann kommen die Herren vom Sicherheitsdienst und weisen Sie höflich, aber bestimmt darauf hin, daß das Fotografieren im Sitzungssaal verboten ist.

Man möchte meinen, daß die Kurden besonders gern das EU-Parlament als Bühne für ihren Aktionismus benutzen. 

Ich muß Ihnen ehrlich sagen, ich weiß nicht, was jene Sicherheitsleute den Damen und Herren Aktivisten der PKK sagten, als sie während einer Rede des türkischstämmigen Abgeordneten, Mohammed Chahim aus den Niederlanden, Abdullah Öcalan-Flaggen hißten und „Freiheit für Öcalan“ skandierten. Dabei überschritten die Aktivisten die Sicherheitsabsperrung, als sie von den Sicherheitsleuten, zwar noch immer bestimmt, aber keinesfalls höflich, aufgefordert wurden, das zu unterlassen. 

Das „wilde Kurdistan“ war im Sitzungsaal des europäischen Parlaments angekommen, und die MEPs fotografierten wie wild oder schickten Nachrichten an die Assistenten, daß sich das Mittagessen ein wenig nach hinten verschieben werde. Vor allem für französische MEPs war dies ein Affront der Sonderklasse, da sie jedwede Unterstützung der kurdischen Sache in Frage stellen. Ganze drei Stunden dauerte es, bis man die Störenfriede entfernt hatte und wieder europapolitische Themen wie die Abschaffung des Verbrennermotors oder die Rechte von LGBTIQ-Personen, inklusive verschiedener Geschlechter, im Rahmen der Frauenrechte diskutierte. 

Man möchte meinen, daß die „wilden Kurden“ besonders gerne das EU-Parlament als Bühne für ihren Aktionismus benutzen. Vor einigen Jahren stürmten nämlich ein Dutzend Kurden das EU-Parlament in Brüssel. Die Reaktion folgte prompt mit rigorosen Sicherheitsmaßnahmen, die bis heute in Kraft sind. Vielleicht verdankt das EU-Parlament gerade den Kurden die Tatsache, daß während der Brüsseler Terrormonate, die durch islamistische Anschläge geprägt waren, diese Institution bereits relativ gut geschützt wurde. 

Also Glück im Unglück. Gedankt hat man es den Kurden nicht. Wer weiß, welche Gunst die Öcalan-Aktivisten dem Hause diesmal erwiesen haben.