Der Himmel über Berlin war grau und es nieselte, doch Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni nahm scheinbar unbeirrt die offizielle Zeremonie unter den Klängen der Nationalhymnen neben Bundeskanzler Olaf Scholz ab. Es war ihr erster Staatsbesuch in Deutschland. Man weiß, Melonis Verhältnis zu Deutschland ist nicht ungetrübt, eher schwierig. Aber nicht nur politische Gründe sind ausschlaggebend, sondern vor allem die „deutsche Grammatik“.
Sie ist ehrgeizig und polyglott, was sie zum Beispiel bei ihrem Frankreichbesuch demonstrierte. Sie spricht neben ihrer Muttersprache gut Französisch und Spanisch. Bei der deutschen Sprache scheiterte sie jedoch an der Grammatik, wie sie einmal bekannte, „dabei habe ich gebüffelt und gebüffelt, und ich bin wirklich ausdauernd“, so ihr Geständnis. Diesen Makel scheint sie sich nicht zu verzeihen und überträgt es auf das ganze Land. Deshalb beeindruckte sie das graue Wetter Berlins wenig. Sie hatte wohl nichts anderes erwartet. Kühl marschierte sie das Defilee ab.
Melonis Credo: „Ich bin Frau, ich bin Mutter, ich bin Christin“
Als Giorgia Meloni von der rechten Partei Fratelli d’Italia (Brüder Italiens) am 22 .Oktober vergangenen Jahres mit überwältigender Mehrheit zur Ministerpräsidentin gewählt wurde, war nicht nur im Lande, sondern in ganz Europa das Erstaunen groß. Sie war die erste Frau seit 1946, die zudem am weitesten rechts steht, die in den Palazzo Chigi in Rom einzog.
Sie, die politische Aufsteigerin, lieferte einen fulminanten Wahlkampf, denn es waren noch die Zeiten der Covid-Pandemie mit Maskenpflicht und Abstandsgebot. Wenn diese zierliche Person (1,63 Meter) mit langen blonden Haaren und strahlend blauen Augen das Mikrophon ergreift, scheint sie nach dem ersten Satz nur noch aus „Stimme“ zu bestehen. Ihr ganzer Körper ein einziger Resonanzboden. Die Wucht und Lautstärke, mit der sie die Worte herausschleudert, ist beeindruckend. „Ich bin Frau, ich bin Mutter, ich bin Christin“, lautet ihr immerwährendes Credo.
Geboren wurde Meloni am 15. Januar 1977 in Rom. Ihre Eltern sind Südländer, die nach Rom auf der Suche nach Arbeit kamen. Ihr Vater stammt aus Sizilien, neigte zum Kommunismus; ihre Mutter kommt aus Sardinien (eher Faschismus). Aufgewachsen ist Meloni mit einer jüngeren Schwester im „roten“ Arbeiterviertel Garbatella in Rom. Der Vater setzte sich später von der Familie ab.
Die ältere Tochter Giorgia zeigte früh politische Ambitionen. Schon als Schülerin ging sie in die rechte Jugendorganisation des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano (MSI; Italienische Sozialbewegung). Bereits mit 28 Jahren (2006) wurde sie erstmals ins italienische Parlament gewählt, dem sie seitdem angehörte.
Es war Ministerpräsident Silvio Berlusconi (Forza Italia), der sie als jüngste Ministerin für Jugend und Sport mit nur 31 Jahren in die italienische Regierung holte. Später verließ Meloni das Movimento Sociale Italiano, auch die Alleanza Nazionale und gründete mit einer Gruppe Verbündeter die Fratelli d’Italia. Dieses Rechtsbündnis, zusammen mit Silvio Berlusconis rechter Forza Italia und Matteo Salvini mit der rechten Lega brachte sie nun an die Spitze Italiens.
Ihr Verhältnis zum Faschismus Mussolinis, auf den Meloni immer wieder angesprochen wird, sieht sie selber „gelassen“ und „entspannt“.
Giorgia Meloni lebt seit Jahren mit dem angesehenen Fernsehjournalisten Andrea Giambruno, der vier Jahre jünger ist als sie, zusammen. Er stammt aus bürgerlichen Kreisen aus Mailand, studierte an der Katholischen Universität in Mailand Philosophie. Das Privatleben gestaltet sich ganz unkonventionell: Das Paar ist nicht verheiratet – wie häufig im Lande. Sie haben eine siebenjährige Tochter Ginevra, die von ihrer Mutter abgöttisch geliebt wird.
Sie hält ihre Chauvi-Männer Salvini und Berlusconi im Zaum
So sah man die Meloni, trotz ihrer vielen Termine, mit ihrer kleinen Tochter zur Weihnachtszeit in die Oper „Der Nußknacker“ eilen. Ihr Mann steht parteilich übrigens links – wie die Überzahl der jüngeren italienischen Generation. Meloni selbst ironisiert ihre Situation: „Ich habe den Feind im Haus.“ Sie, „das Madonnengesicht der Rechten“, wie sie genannt wird, ist derzeit die beliebteste Ministerpräsidentin Italiens mit 46 bis 49 Prozent Zustimmung. In diesen schwierigen Zeiten steht Meloni fest an der Seite der Ukraine, der Nato und der USA.
Auch gegenüber Brüssel vernahm man bisher keine radikalen Töne: Kein „Nein“ zum Euro, doch „Italien zuerst“, so lautet das Credo Melonis. Bisher hat sie Kraft und Stehvermögen bewiesen, auch gegenüber ihren Verbündeten – den einstigen Putin-Verstehern Matteo Salvini und Silvio Berlusconi. Noch schafft sie es, selbst diese „Chauvi“-Männer in ihre Schranken zu weisen. Ihre Achtung gilt vor allem ihrem Vorgänger, dem Zentralbankier Mario Draghi. Sie fährt seinen Kurs weiter und übernahm auch dessen Finanzminister Giancarlo Giorgetti (Lega).
Auch in der Mode zeigt Meloni Patriotismus: Sie trägt Modelle von Giorgio Armani. Der italienische Modeschöpfer bewies sein Können einmal mehr, als die Ministerpräsidentin mit ihrem Mann in einem blauen eleganten samtenen Abendkleid die Opernsaison in der Mailänder Scala eröffnete. Ein wahres Bilderbuchpaar.
„Ich will die ganze Legislaturperiode im Palazzo Chigi bleiben und Italien regieren“, so ihre stolzen Worte. Noch ist Meloni in ihren politischen Flitterwochen, doch der Börsenkurs im Land ist bereits um 20 Prozent gestiegen. Und bei den jüngsten Regionalwahlen gewannen die „Rechten“ in Latium mit der Hauptstadt Rom und in der wirtschaftsstarken Lombardei mit Mailand. Die Linken wurden wieder stark abgestraft. „ Meloni avanti“, jubeln ihre Anhänger.