Nicht nur in Karlsruhe, auch in Potsdam hat ein Verfassungsgericht einer Klage der AfD stattgegeben: Das Corona-Notlagegesetz für die Kommunen Brandenburgs ist mit der Verfassung des Bundeslandes unvereinbar. Diesen Beschluß faßten die Richter bereits vor zwei Wochen, öffentlich gemacht wurde ihre Entscheidung am vergangenen Freitag.
Rückblick: Im April 2020 hatte der brandenburgische Landtag beschlossen, daß die Gemeindevertretungen, die Stadträte und Kreistage wegen der Corona-Pandemie in Ausnahmefällen Entscheidungen auch vom Plenum auf die kleineren Hauptausschüsse übertragen und Beschlüsse bei Bedarf im schriftlichen Umlaufverfahren fassen dürfen. Die Vertretungen sollten zudem zur Not – und befristet – auch per Video- und Telefonkonferenzen tagen können. Vor allem ermächtigte das Gesetz aber den Innenminister, durch den Erlaß von Rechtsverordnungen während der Notlage von Vorschriften der Kommunalverfassung abzuweichen.
Doch die neun Mitglieder des ehrenamtlichen Gerichts – in dem auch die Schriftstellerin Juli Zeh und der Regisseur Andreas Dresen sitzen – zogen eine rote Linie: Insbesondere Artikel 80 der Verfassung werde verletzt, wo es heißt: Das Gesetz müsse Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmen. Hier hätte der Landtag genauere Vorgaben machen müssen. Die Verfassungshüter monierten, das Notlagegesetz lasse vom Bild der Gemeinde als „Keimzelle der Demokratie“ bei einer gehäuften Anwendung der Verordnungsermächtigungen „nicht mehr viel übrig“.
Daß sich die Klägerin, die AfD-Landtagsfraktion, über das Urteil erfreut zeigte, überrascht nicht. Ihr Vorsitzender Christoph Berndt resümierte, damit stehe fest, daß die Brandenburger Regierung verfassungswidrig handelte, als sie per Verordnung die Kommunalverfassung ändern ließ. „Dazu hätte das Parlament ein Gesetz beschließen müssen, worauf unsere Fraktion damals auch hingewiesen hat“, betonte er. Die Richter hätten nun „dem Regierungshandeln Grenzen gesetzt und die Gewaltenteilung bekräftigt“. Das Notlagegesetz habe nämlich „eine erhebliche Gewichtsverschiebung zwischen gesetzgebender und exekutiver Gewalt erzeugt“, ergänzte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Lena Kotré. Den Fraktionen von SPD, CDU und Grünen warf die Abgeordnete vor, sie hätten „auch in dieser Sache wieder bewußt verfassungswidrig gehandelt“.
Einen kleinen Schönheitsfehler dürfte aus Sicht der klagenden Landtagsabgeordneten der Richterspruch dennoch haben: Er kommt spät und ist quasi nur rückwirkend. Denn das Notlagegesetz – ursprünglich zunächst befristet bis Ende September 2020 – galt ohnehin nur bis zum 30. Juni 2021. Und: Das Landesverfassungsgericht hat zwar festgestellt, das Notlagegesetz sei unvereinbar mit der Verfassung des Landes Brandenburg, das Notlagegesetz aber damit nicht für nichtig erklärt. Im Klartext: „Rechtsakte, die direkt oder indirekt auf dem Brandenburgischen kommunalen Notlagegesetz und der daraufhin erlassenen Verordnung beruhen, gelten daher fort.“