© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 10/23 / 03. März 2023

Ralf Raths. Kaum jemand hat derzeit so Konjunktur wie der Chef des Deutschen Panzermuseums. Putins Krieg sei Dank.
Der mit den Panzern tanzt
Moritz Schwarz

Wer zum erstenmal von Ralf Raths hört, könnte meinen, er sei Tierdompteur. Denn meist spricht der Mann von Mardern, Wieseln und Füchsen, Bibern, Dachsen und Luchsen, von Panthern, Tigern und Leoparden – und selbst ein Nashorn steht bei ihm im Stall. Was klingt wie die stolze Sammlung eines Wanderzoos, ist jedoch die Fauna der deutschen Panzerwaffe, die ihr gefährliches Getier traditionell nach solchem Wild benennt, das für den jeweiligen Panzer typisch ist: So flitzt der Kleinpanzer Wiesel flink, überwindet der Brückenlegepanzer Biber Bäche und Flüsse, bahnt der Schützenpanzer Marder Panzer­grenadieren den Weg durchs Unterholz und beherrscht der stolze Kampfpanzer Leopard das Schlachtfeld. Aber noch etwas hat Raths stählerne Schar mit Zoo und Zirkus gemein, wie diese empfiehlt sich auch das Deutsche Panzermusum im niedersächsischen Munster als Ziel eines Familienausflugs für Groß und Klein: günstige Familienkarten und Panzerfahrer unter fünf Jahren frei.

Ein Militärhistoriker als Youtube-Star und „coolster Museumsdirektor Deutschlands“.

Die mitunter heikle Aufgabe, zu erklären, warum Kriegsgerät auch schon den Jüngsten zu empfehlen sei, obliegt dem 1977 in Goslar geborenen Soldatensohn und Militärhistoriker seit 2008 – erst als wissenschaftlicher Leiter, ab 2013 als Direktor des 1983 von Stadt und Streitkräften wegen der dort ansässigen Panzertruppenschule der Bundeswehr in Munster gegründeten Museums. Seit einem Jahr jedoch ist alles anders – seit dem Einbruch der Realität ins deutsche Wolkenkucksheim sind die für viele zuvor höchst anstößigen Kampfkolosse mit einem mal gesellschaftsfähig. „Wir sind Kriegsgewinnler“, bekennt Rath, wenn auch, „im traurigen Sinne“. Tatsächlich kommen nicht mehr nur über 100.000 Besucher pro Jahr, ein Viertel davon weiblich, sondern auch Journalisten, denen Raths sowohl den Krieg erklären soll (am liebsten inklusive Vorhersage des Ausgangs), als auch die finessenreiche Technik der Großkatzen, die Deutschland mittlerweile in die Ukraine schickt. Zu ihrem glänzendsten Sieg hat der Panzerflüsterer seine Eisenrosse jedoch auf Youtube geführt, wo seine eingängigen Erklärvideos zu Typen, Technik und Historie der Panzerei bis zu einer Million Zugriffe erzielen – kein deutsches Museum hat mehr Publikum im Netz. 

Gefechtsfeldüberlegenheit erzielt Panzer-Rath auch durch sein geschicktes Tarnkleid: Pferdeschwanz, Dreitagebart, stets von Kopf bis Fuß in Schwarz und mit immer hochgekrempelten Hemdsärmeln – für Fotos bevorzugt mit entschlossen verschränkten Armen zwischen seinen Panzern posierend –, wirkt er jung und vielmehr wie ein Aficionado oder leidenschaftlicher Schrauber, denn wie ein entrückter Bücherwurm. Zum „coolsten Museumsdirektor Deutschlands“ hat ihn dafür der Deutschlandfunk ernannt.

Doch Raths Generalmobilmachung, mit der er das angestaubte, ja schwer baufällige Museum in die Gegenwart holt, hat auch bedenkliche Seiten. Zu dessen „Leitlinien“ gehört zwar, sich „politischer Vereinnahmung entgegenzustellen“, tatsächlich aber spricht man gegendert und wirbt für Wokeness. Verwundern kann das indes kaum, steht Raths politisch doch zwischen der Linkspartei, die er verlassen hat, und der ihm „zu zahmen“ SPD. Das läßt allerdings für den künftigen Angriffsplan des Museums, seine Neukonzeptionierung, leider nicht das Beste hoffen.