Schönheitsideale sind stets im Wandel. Standen im antiken Griechenland athletische Körper hoch im Kurs, so waren es im Barock mollige Rundungen. Hinzu kommen weltweit regionale und kulturelle Unterschiede, bei denen nur wenige Kilometer voneinander entfernte Stämme und Völker komplett unterschiedliche Maßstäbe haben können.
Doch in der westlichen mediengestützten Mainstream-Beauty-Welt läßt sich zumeist ein Hauptmuster verorten, und hier kann ein Wandel in Richtung südländisches Schönheitsideal beobachtet werden. Damit sind weniger europäische mediterrane Einflüsse gemeint, wie sie Sophia Loren und andere italienische Schauspiel-Ikonen an der Seite von Marilyn Monroe bereits vor Jahrzehnten etabliert haben, sondern eher orientalische, vorderasiatische oder noch weiter südlich liegende.
Waren die Achtziger und Neunziger durch nordische wasserstoffblonde Sexbomben wie Brigitte Nielsen, Pamela Anderson, Britney Spears oder Jenna McCarthy geprägt, sind bei heutigen Vorbildern Hautteint und Haarfarbe eher dunkler, die Augenbrauen buschiger und die Konturen üppiger. Die Entdeckung großer runder Gesäße hinaus über Sir Mix-a-Lots afroamerikanische Rap-Hymne „I like big butts“ zeigt beispielhaft: Die Schönheitsideale der südlichen Erdhalbkugel schwappen zunehmend auf die nördliche – oder werden mit den Migrationsströmen mitgebracht.
Dabei ebenfalls nicht zu verachten, aber gern peinlich berührt geleugnet: der Einfluß der Pornoindustrie. Platinblondinen wie Jenna Jameson wurden von der libanesisch-stämmigen Mia Khalifa als Inbegriff des XXX-Starlets abgelöst. Hinzu kommen Diversity-Casts und People-of-Color-Quoten in Werbung, Kino, Fernsehen und Streamingdiensten.
Die barbadische Popsängerin Rihanna, die beim jüngsten Super Bowl die gefeierte Halbzeitshow ablieferte, wurde nicht etwa mit ihren Songs zu einer der jüngsten Milliardärinnen der Welt, sondern weil sie mit ihrer Kosmetikfirma Fenty Beauty als eine der ersten erkannt hat, daß Pflegeprodukte für dunkle Hauttöne die Zukunft sind. Ihre Produktpalette bietet über 40 Farbnuancen an.
Es geht eben nicht nur um woke Identitätspolitik oder ideologische Gesellschaftsexperimente, sondern um knallharte ökonomische Berechnung. Südamerika, Afrika und Asien bündeln insgesamt etwa sechs Milliarden Erdenbewohner. Bei der dort voranschreitenden Ausstattung mit Internet, Bildschirmen und Konsumtempeln ist es nur eine logische Konsequenz, daß Firmen und Produzenten von Unterhaltung über Mode bis Kosmetik diese Bevölkerungsmassen für sich entdecken und ansprechen wollen.
Sind die neuen Trends bei Schönheitsoperationen rassistisch?
Nord und Süd verschmelzen – oft mit Nachhilfe. So sind operierte große Brüste und Schmolllippen weiterhin in – und werden mit Po-Aufspritzungen ergänzt. Schwarzhaarige rundumerneuerte „Role Models“ wie der Flimmerkisten-Clan der armenischstämmigen Kardashians haben die Bühne betreten – ebenfalls teilweie Kosmetikmarken gegründet – und zahlreiche Nachahmer hervorgelockt. Soziale Medien dauerbeschallen die Jüngsten mit künstlich geformten Gesichts- und Körperlinien.
Reality Stars und Influencer machen auch bei vielen Minderjährigen eine Schönheitsoperation zum Must-have. OP-Reisen ins billigere Ausland wie die Türkei oder Osteuropa locken nicht mehr nur Wohlstands-Midager mit Sale-Angeboten für Haartransplantationen und Zahnbehandlungen. Anstatt Halbpension auf Malle, geht’s halt einmal All-Inclusive nach Istanbul. Ein Blick ins Trash-TV von Sat.1 bis RTL zeigt, daß längst die multikulturellen Normalos der Gesellschaft zu Skalpell und Botox-Spritze greifen lassen.
Doch selbst hier warten rechte Fettnäpfchen. So fragte die britische Nachrichtenseite Unherd, ob es „rassistisch sei, große Ärsche zu mögen“. Und das Amazed-Onlinemagazin warnt vor „rassistischen Schönheits-OP-Trends“, als da wären „andere Haarfarben, geänderte Körperproportionen, eine verdächtig dunkle Bräune oder eine neue Augenform“. Und das nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern auch mit dem Hintergedanken, daß die neue PoC-Optik „beliebter macht“. White-Bashing wirkt. Michael Jackson reverse – schöne neue Welt.
Doch wer jetzt Bammel hat, hierzulande sehen bald alle nach einer Melange aus Sahel-Zone und Hollywood-Hills aus: Längst wartet ein neuer Hype, diesmal aus Fernost. Mit dem Erfolg von K-Pop und koreanischen Filmproduktionen prasseln auch deren Schönheitsformen auf die westliche Welt ein. Versuchten einst Anime-Figuren und reale Asiaten mit grotesk großen hellen Augen auszusehen wie Europäer, so lassen sich nun die ersten Westler Mandelaugen zurechtschnippeln. Und die ersten ganz progressiven Stars und Sternchen fangen bereits damit an, sich wieder zierlichere Linien zurückmodellieren zu lassen.