© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/23 / 24. Februar 2023

Mit Willensstärke an die Spitze des Reiches
Aufstieg einer Dynastie: Das Historische Museum der Pfalz widmet sich den Habsburgern im Mittelalter
Karlheinz Weißmann

Wer den Eingangsbereich der Ausstellung „Die Habsburger im Mittelalter“ betritt, hört überrascht die Stimme von Bettina Schausten, die wie sonst als ZDF-Nachrichtensprecherin das Neueste von einem Wahlausgang in Frankfurt berichtet. Ein Bildschirm blendet die Bilder der Kandidaten ein, außerdem Prognosen und die Ergebnisse von Meinungsumfragen. Dazu erscheint die Skyline der Mainmetropole. Man braucht einen Augenblick, um zu verstehen, daß es hier nicht um ein aktuelles Ereignis geht, sondern – mit wohl berechnetem Verfremdungseffekt – um die Wahl Rudolf von Habsburgs zum römisch-deutschen König im Jahr 1273.

Wer angesichts dieses Vorspiels den museums-pädagogischen Overkill fürchtet, wird – angenehm – überrascht. Tatsächlich geht es in Speyer ganz klassisch zu: Vitrinen, freistehende Objekte, einige wenige Inszenierungen, sparsame Kommentare, Kartenbilder, Ahnentafeln. Zu den Leihgebern gehören Museen, Klöster und Bibliotheken aus der Schweiz, Österreich, Frankreich und Deutschland.

Den Ausgangspunkt bildet sinnvollerweise die Entscheidung zugunsten Rudolfs, die das Interregnum – die „schreckliche, kaiserlose Zeit“ – nach dem Untergang der Staufer beendete. Aber es wird auch der Ursprung der Habsburger auf dem Gebiet der Schweiz erläutert und ihr Aufstieg durch den Erwerb von umfangreichem Streubesitz im Südwesten des Reiches. Trotzdem blieb die Kandidatur Rudolfs ein Überraschungscoup. Daß er nur den Rang eines Grafen besaß, trug aber dazu bei, daß ihn die Herzöge, die den Wahlausgang entschieden, unterschätzten und sein stärkster Konkurrent – der böhmische König Ottokar II. – glaubte, auf persönliche Anwesenheit in Frankfurt verzichten zu können.

Als schlechter Verlierer stellte Ottokar die Herrschaft Rudolfs prompt in Frage, ging kurzfristig auf einen Kompromiß ein, um dann doch die gewaltsame Entscheidung zu suchen. Am 26. August 1278 kam es bei Dürnkrut und Jedenspeigen zu einer der größten Ritterschlachten des Mittelalters, in der Ottokar unterlag, Krone und Leben verlor. Demonstrativ ließ Rudolf den Leichnam seines Feindes dreißig Tage lang aufbahren, um zu zeigen, welches Schicksal demjenigen drohte, der sich ihm entgegenstellte. Die Botschaft scheint verstanden worden zu sein. Für die folgenden beiden Jahrzehnte konnte Rudolf mehr oder weniger unangefochten regieren. Er nutzte diese Zeit, um seine Position systematisch auszubauen, das Hausgut der Habsburger – vor allem das Herzogtum Österreich – zu stärken und verlorenes Reichsgut zurückzugewinnen.

Die Ausstellung zeigt auch eine Wiedergabe der farbigen Fassung von Rudolfs Grabmal im Speyrer Dom, an dem vor allem die Gestaltung der Gesichtszüge beeindruckt. Die in Falten gezogene Stirn, die skeptisch blickenden Augen, der geschürzte Mund und die vorspringende Nase vermitteln den Eindruck eines Mannes, den Zielstrebigkeit, Willensstärke und Härte prägten und dessen Herrschaft, zumal wenn man die Ausgangslage bedenkt, sehr erfolgreich war. Nur scheiterte Rudolf daran, seinem Sohn Albrecht die Nachfolge zu sichern.

Mit Maximilian I. beginnt die Glanzzeit der Machtentfaltung

Die Großen des Reiches fürchteten, daß den Habsburgern mit der Errichtung einer Erbmonarchie gelingen könnte, woran die Staufer noch gescheitert waren. Sie wählten deshalb 1291 Adolf von Nassau, der sie sich durch sehr großzügige Versprechungen gewogen gemacht hatte. Als er die allerdings nicht einhielt, wurde er in einem einmaligen Vorgang abgesetzt und Albrecht an seiner Stelle zum König erhoben. Doch auch das führte noch nicht zur Etablierung der Habsburger an der Spitze des Reiches, denn nach Albrechts frühem Tod verbannte man die Dynastie für mehr als einhundert Jahre vom Zugriff auf die Krone des Reiches.

In dieser Zeit verloren die Habsburger außerdem ihren Stammbesitz im Kampf gegen die aufstrebende Eidgenossenschaft, konnten aber Österreich als Position festigen, die einerseits das Ausgreifen nach Osten – in Richtung Ungarn und Böhmen –, andererseits die Einflußnahme im Reichsgebiet erlaubte. Ungestört blieben sie dabei nicht, denn der Druck der Osmanen wuchs nach dem Fall Konstantinopels 1453, der der französischen Könige durch den Streit um das Gebiet Burgunds. Wenn man das ewige Zögern und Taktieren Kaiser Friedrichs III. – der „Reichserzschlafmütze“ – im einen wie im anderen Fall heute milder beurteilt, dann steht doch fest, daß erst mit dem Regierungsantritt seines Sohnes Maximilian I. jene Glanzzeit begann, die man als Höhepunkt habsburgischer Machtentfaltung im Mittelalter bezeichnen darf.

Besonders deutlich wird das in Speyer an den kostbaren Rüstungen, die der „Letzte Ritter“ für sich fertigen ließ, aber auch an den Gemälden und Stichen, mit denen dieser alles andere als altmodische Herrscher sein Prestige erhöhen und eine Art „corporate design“ für das von seinem Haus geführte Kaiserreich entwerfen wollte. Die finale Gestalt dieser Inszenierung hätte wohl das Grabmal des Kaisers in der Hofkirche von Innsbruck mit vierzig lebensgroßen Bronzefiguren seiner Ahnen – man zeigt in Speyer nur verkleinerte Holzversionen – sein sollen. Allerdings wurden nur achtundzwanzig fertiggestellt, und das ganze Projekt scheiterte zuletzt an Maximilians notorischer Verschuldung.

Wirklich in Frage stellen konnte dieser Fehlschlag die Position der Habsburger aber nicht mehr. Maximilians Enkel Karl – der fünfte dieses Namens als römisch-deutscher Kaiser, der erste als spanischer König – würde ein Reich regieren, in dem die Sonne nicht unterging, und sein Geschlecht sollte noch fast dreihundert Jahre an der Spitze des Reiches und weitere einhundert Jahre an der Spitze eines Imperiums stehen, das einen erheblichen Teil Mitteleuropas umfaßte.

Die Ausstellung „Die Habsburger im Mittelalter – Aufstieg einer Dynastie“ ist bis zum 16. April im Historischen Museum der Pfalz in Speyer, Domplatz 4, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Besuchertelefon: 062 32 / 62 02 22. Der Katalog mit 382 Seiten, durchgehend farbig illustriert, ist im Theiss-Verlag/Wissenschaftliche Buchgesellschaft erschienen und kostet im Mu-seum 27,90 Euro.

 www.museum.speyer.de