© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/23 / 24. Februar 2023

CD-Kritik: Antonin Dvořák – Leif Ove Andsnes
Bilderzähler
Jens Knorr

Nachdem sich der norwegische Pianist Leif Ove Andsnes (52) länger schon mit seinem Landsmann Edvard Grieg und unlängst erst mit dem finnischen Komponisten Jean Sibelius eingehend befaßt hat, ist er während des Corona-Lockdowns auf den Tschechen Dvořák gekommen.

Antonin Dvořák, 1841 in Prag geboren, komponierte dreizehn Poetische Stimmungsbilder für Klavier op. 85 in sieben Wochen des Jahres 1889, jedes Stück, so Dvořák in einem Brief an seinen deutschen Verleger Fritz Simrock, mit einem Titel und einem Sujet im Sinne von Programmusik, allerdings nach Art von Robert Schumann, wobei er betonen müsse, daß sie nicht wie Schumann klängen.

Wo der Musikwissenschaftler Hugo Riemann dem musikalischen Charakterstück „das entzückte Verweilen des Komponisten bei der Einzelwirkung“ unterstellte, da sucht Andsnes die Einzelwirkung in der zyklischen Anlage der Gesamtkomposition aufzuheben, ohne sie je aufzugeben. Hinter jedem Bild lauert eine Geschichte, die des Hörers, die Andsnes’ nüchtern feinfühlendes Spiel heraufruft. Und in manch kleinmeisterlich gestrickte Bildchen geheimnißt er auch schon mal freundlichst Großmeisterliches hinein. Das geht sich auf die Rettung des Charakterstücks vor dem Salonstück aus, bevor die Exemplare dieser Gattung gänzlich zu auf Effekt getrimmten touristischen Souvenirs verkommen sollten.

Andsnes erzählt Dvořáks Charakterstücke charaktervoll aus. Man hört ihnen mit reinem Gewissen zu.

Antonin Dvořák: Poetische Stimmungsbilder Sony Classical 2022

 http://leifoveandsnes.com  www.sonyclassical.de