© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/23 / 24. Februar 2023

Demokratiewerbung im Turm der „Nazikirche“
Räume der Reflexion
(ob)

Der nach Jahrzehnten heftiger geschichtspolitischer Debatten nun beschlossene Wiederaufbau des Turms der spätbarocken Potsdamer Garnisonkirche ist für Jürgen Reiche „umstritten wie kaum ein anderes Bauprojekt unserer Tage“ (zeitzeichen, 1/2023). Der wissenschaftliche Leiter dieses Unternehmens und Kurator der Dauerausstellung „Glaube, Macht und Militär“, die in dem Turm gezeigt werden soll, wehrt sich vehement gegen die seit dem ersten Spatenstich in den Leitmedien wieder anschwellende Polemik, die in alter Manier versuche, aus dem Bau von 1735 eine „Nazikirche“ zu machen. Der von fanatischen Gegnern des Wiederaufbaus wie dem Architekten Philipp Oswalt angeschlagene Ton klinge fast immer gleich öde: Weil die Initiative dazu „von rechts“ ausging, vermischten Gegner in ihrer Polemik gern konservativ, rechts, rechtsextrem, um die Kirche als „toxisches“ Symbol Preußens öffentlich zu diskreditieren. Soviel Geschichtsfeindlichkeit glaubt Reiche parieren zu können mit seiner nicht minder ahistorischen Ausstellung. Denn auf 250 Quadratmetern soll nicht nur alles vermieden werden, was den Kirchturm zum spezifisch preußisch-deutschen Erinnerungsort macht. Vielmehr werde hier, freut sich Reiche, ein Forum entstehen, das die Geschichte der Kirche allein deshalb thematisiere, um für „die Einhaltung der Menschenrechte zu werben“ und „unsere Demokratie zu festigen“. Für aktuelle Gefährdungen von „Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten“ würden Besucher in diesen „Räumen der Reflexion“ künftig sensibilisiert, in denen ihnen zudem der „Geist der Toleranz und Völkerverständigkeit“ vermittelt werde. 


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