Ab 2035 sollen in der EU keine neuen Pkw und Kleintransporter mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden. Aktuell läßt sich dies nur mit Batterieautos oder Brennstoffzellen-Fahrzeugen erreichen. Synthetische Kraftstoffe („E-Fuels“), die mit Ökostrom hergestellt werden, werden in der EU-Verordnung nicht erwähnt. Damit könnten die Verbrennungsmotoren problemlos weiterlaufen. Noch müssen die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten dem Votum des Europaparlaments zustimmen. So hat der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán wiederholt klargemacht, daß er nichts von „grünen Ideologien“ hält. Doch ob Ungarn sich mit Polen oder der Slowakei verweigert, ist nicht ausgemacht – die Ukraine-Frage hat die Visegrád-Staaten entzweit.
Die FDP-Abgeordneten haben in Straßburg zwar mit Nein votiert, doch ihre EU-Fraktion „Renew Europe“ ermöglichte die Abstimmungsmehrheit „für den Klimaschutz“, wie der niederländische Liberale und Landwirt Jan Huitema (VVD) jubelte. Dennis Radtke, Gewerkschafter aus dem Autoland NRW, hält das für Träumerei: „Grüne, Liberale und Linke haben heute im EU-Parlament für das Verbrennerverbot gestimmt, obwohl sie wissen, daß sie damit rund 1,4 Millionen Arbeitsplätze in Europa gefährden. Die europäische Ampel untergräbt den Automobilstandort Deutschland und bugsiert damit die chinesische Konkurrenz in die Pole Position“, so der CDU-Europaabgeordnete.
Kritik kam auch aus Österreich. „Das Verbot des Verbrennungsmotors ist ein Sittenbild der aktuellen EU-Politik: innovations- und industriefeindlich, unsozial, sinnlos, schlichtweg dumm“, sagte der FPÖ-Parlamentarier Roman Haider. Fraktionskollegin Sylvia Limmer (AfD) brachte das Dilemma auf den Punkt: „Es gibt keine emissionslose Fortbewegung“, so die Bayreuther Naturwissenschaftlerin. Die Emissionen von E-Autos würden nur verlagert, zum Beispiel in die Kohlekraftwerke, die bei Dunkelflauten unabdingbar sind. Für die Herstellung einer E-Auto-Batterie würden zudem „über Tausende Tonnen Abraum bewegt und bis zu 40 Tonnen CO₂ freigesetzt“. Dennoch will die EU-Kommission bald noch weiter gehen: Lkws und Busse sollen bis 2040 90 Prozent weniger CO₂ ausstoßen als 2019. Der ADAC segelt ebenfalls längst im Ampel-Zeitgeist: „Sinkende CO₂-Grenzwerte tragen zum Klimaschutz bei, senken den fossilen Kraftstoffverbrauch und damit die Betriebskosten fürs Auto“, freut sich die einst mächtige Interessenvertretung der deutschen Autofahrer. Immerhin sorgt sich der ADAC um Energieversorgung von Tesla, ID.5, Kia EV6 & Co.: „Damit die Elektromobilität zum Erfolg wird, muß jetzt die Versorgung mit erneuerbarem Strom gesichert, die Stromverteilnetze und die Ladeinfrastruktur müssen auf die wachsende Nachfrage vorbereitet werden.“
„Eine schlechte Entscheidung für die Bürger Europas“
Und auch im Kleinwagensegment müßten künftig „günstige Pkw verfügbar sein“, verlangt der Münchner Verein mit Blick auf Millionen Mitglieder. Immerhin erhofft sich ADAC-Technikchef Karsten Schulze von der EU-Kommission noch „einen Mechanismus für die Nutzung von E-Fuels“. Doch es gibt auch andere Stimmen: „Indem sie die Emissionen am Fahrzeug als Maßstab definieren, nehmen die Politiker die bei der Stromerzeugung sowie bei der Produktion von E-Antrieben entstehenden CO₂-Emissionen schlicht nicht zur Kenntnis“, kritisiert der Automobilclub von Deutschland (AvD). „Man kann sich des Anscheins kaum erwehren, daß die Befürworter lieber im Sinne der eigenen Ideologie eine schlechte Entscheidung für die Bürger Europas, die freie Marktwirtschaft in Europa sowie den Klimaschutz getroffen haben, als sich mit den bislang ungelösten Fragen und Problemen der Elektromobilität zu beschäftigen.“ Und AvD-Generalsekretär Lutz Leif Linden ist sich sicher: „Die Entscheidung der EU-Parlamentarier wird sich schon bald als Pyrrhussieg erweisen, denn dem Klimaschutz wird damit ein Bärendienst erwiesen.“
Elmar Kühn vom Bundesverband mittelständischer Mineralölunternehmen (Uniti) fand noch deutlichere Worte: „Mit diesem De-facto-Verbot wird dem Automobilindustrie in Deutschland erheblich geschadet.“ Daß Ford vorige Woche angekündigt hat, in Köln und Aachen 2.300 Stellen abzubauen, dürfte ein Signal sein, wohin die Reise geht: 2019 wurden in Deutschland noch 4,5 Millionen Pkws herstellt – 2022 waren es nur noch 3,3 Millionen. Die tschechische Autoproduktion sank hingegen nur von 1,4 auf 1,2 Millionen. In Rumänien gab es – trotz globaler Lieferkettenprobleme – einen Zuwachs von 409.000 auf 507.000.
Premium-Hersteller wie Mercedes profitierten kurzfristig sogar von den reduzierten Produktionsvolumen: Die knappen importierten Mikrochips wurden einfach in höherpreisige Fahrzeuge eingebaut und die gängigen Rabatte – etwa für Mietwagenanbieter – gestrichen. Der Pkw-Absatz lag 2022 zwar nur bei zwei Millionen (2019: 2,28 Millionen). Auch wurden lediglich 149.227 E-Autos verkauft. Aber im Top-End-Segment ist der Absatz seit 2021 um acht Prozent gestiegen. Der Gesamtumsatz stieg von 134 auf 150 Milliarden Euro. Die Edelmarke Maybach verzeichnete sogar ein Absatzplus von 41 Prozent: „Ein neues Rekordjahr“, heißt es stolz im Geschäftsbericht. Die Aktionäre können sich daher auf eine Gesamtausschüttung von 5,6 Milliarden Euro freuen. Was in zwölf Jahren ist, scheint da wohl egal.
Kommentar Seite 2