Die Bundesregierung ist um Transparenz bemüht. Zum Stand 13. Februar wurden seit Januar 2022 Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter in die Ukraine im Umfang von 2,6 Milliarden Euro erteilt. In ihrer „Liste der militärischen Unterstützungsleistungen“ veröffentlicht die Regierung wöchentlich aktualisiert alle gelieferten Güter wie 240.000 Wintermützen, 38 Laserentfernungsmesser und 15 Bergepanzer. Allerdings umfaßt der Genehmigungswert eben nur die nach dem Außenwirtschaftsrecht gemäß Paragraphen 46 bis 48 Außenwirtschaftsverordnung (AWV) genehmigungspflichtigen Hilfen. Insbesondere sogenannte Dual-Use-Güter mit prinzipiell auch ziviler Verwendung wie Lkw-Nutzfahrzeuge oder Wolldecken bleiben außen vor.
Das gilt auch für Güter, bei denen die Bundesregierung Verfahrenserleichterungen geschaffen hat, so für Schutzgüter. Zudem stehen für gebrauchtes Material aus Beständen der Bundeswehr (Bw) keine tragfähigen Wertangaben zur Verfügung. Da die Kameralistik keine Abschreibungen bzw. Wertberichtigung kennt, muß ein Zeitwert geschätzt werden, der weit unterhalb der jeweiligen Neu- oder Wiederbeschaffungswerte liegen kann. Andere Quellen geben den Wert bisheriger Lieferungen auch deshalb entsprechend höher mit rund vier Milliarden Euro an. Bei weltweiten Militärhilfen von 62,2 Milliarden Euro ist Deutschland – zusammen mit Polen – der drittgrößte Lieferant; hinter den USA mit 44,3 Milliarden Euro und Großbritannien mit 4,9 Milliarden Euro. Frankreich steht laut Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) mit 0,7 Milliarden Euro an siebter Stelle.
Parlamentsbeteiligung nicht immer gegeben
Über welche Kanäle kommen die Waffenlieferungen und wie werden sie finanziert? Schnell und von den Abläufen her relativ unkompliziert steht an erster Stelle die Lieferung aus vorhandenen Bw-Beständen an die Ukraine. Ohne Zustimmung des Bundestages kann die Regierung entscheiden, der Ukraine entsprechendes Material bereitzustellen. Demokratiebezogen ist aus zwei Gründen Kritik zu üben. Zum einen wurden die Gerätschaften im Einzelplan (EP) 14 des Verteidigungsministeriums für die Bundeswehr und deren Auftrag angeschafft. Jetzt widmet die Regierung diese Anschaffungen für einen anderen Zweck um, konterkariert also einen ehemaligen Bundestagsbeschluß. Insofern läuft die Ukraine-Hilfe direkt aus (vorjährigen) Bundeshaushalten, ohne daß dies je parlamentarisch gebilligt wurde.
Zum anderen ist die Bw eine Parlamentsarmee, sprich: der Einsatz oder gar der Verteidigungsfall benötigen einen Beschluß des Bundestages. Der Beschluß der Bundesregierung, 14 Leopard-Kampfpanzer des Typs 2A6 zu liefern, beinhaltet neben Logistik und Wartung der Systeme auch die Ausbildung. Gemäß einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages (WD 2-3000-019/22) könnte die Ausbildung ukrainischer Soldaten an westlichen Waffen, die auf deutschem Boden stattfindet, völkerrechtlich eine Kriegsbeteiligung darstellen. Außerdem „blutet“ die Bw mit den Lieferungen zunehmend aus – gerade auch was Munition betrifft, so daß die Erfüllung ihres Verteidigungsauftrages noch mehr in Frage steht. Bei diesen wichtigen Entscheidungen sollte der Bundestag nicht außen vor bleiben, denn sonst würde die Bw zur „Kanzler-Armee“.
Die (Wieder-)Beschaffung über den Verteidigungshaushalt wird zukünftig mangels vorhandener Bestände in den Vordergrund rücken. Hier können über den EP 14 Nachbestellungen oder aber auch direkt für die Ukraine vorgesehene Lieferungen vom Bundestag beschlossen, angeschafft und finanziert werden. Bei Projekten über 25 Millionen Euro ist außerdem der Haushaltsausschuß bei der Vertragsschließung mit den Anbietern einzubinden. Allerdings erfolgt die Rüstungsbeschaffung aufgrund der vertraglichen und produktionstechnischen Vorlaufzeit erst in den Folgejahren – so auch die des Leopard 2A6.
Alternativ gibt es seit 2016 den EP 60 „Ertüchtigung von Partnerstaaten im Bereich Sicherheit, Verteidigung und Stabilisierung“, der befreundete Staaten in die Lage versetzen soll, in Krisen selbst für Sicherheit zu sorgen. 2022 wurde der Topf nach Ausbruch des Krieges von 225 Millionen Euro in einem Ergänzungshaushalt auf 1,78 Milliarden Euro aufgestockt, dessen Großteil für ukrainische Militärhilfe verwendet wurde. Im laufenden Jahr stehen dafür 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Hieraus können Neubeschaffungen für die Ukraine direkt von der Industrie auf Kosten des Bundes bezogen werden. Dies setzt einen Antrag der Ukraine voraus. Die Rechnungen erstattet die Bundesregierung nach Freigabe den Unternehmen unmittelbar. Laut einem Haushaltsvermerk können auch Ersatzbeschaffungen der Bw für Material, das zum Zwecke einer kurzfristigen Ertüchtigung aus den eigenen Bw-Beständen abgegeben wurde, im Einvernehmen mit dem Finanzministerium aus diesem Titel finanziert werden. So ist geplant, die an die Ukraine bereits aus Bw-Beständen gelieferten 14 Panzerhaubitzen 2000 sowie die dazugehörige Munition auf diesem Weg zu (re-)finanzieren, um den Bestand der BW wiederherzustellen. Auch ein Ringtausch, so etwa geschehen im Rahmen slowakischer Panzer sowjetischer Bauart an die Ukraine gegen ältere Leopard-2-Panzer aus deutschen Industriebeständen, kann hierüber abgewickelt werden.
„Europäische Friedensfazilität“ soll Waffenlieferungen ermöglichen
Schließlich bleibt das 100-Milliarden-Sondervermögen Bundeswehr als nationaler Steinbruch für Militärhilfen. Zwar dürfen materielle Unterstützungen der Bündnispartner, einschließlich Waffenlieferungen an die Ukraine, durch den Sonderhaushalt nicht finanziert werden. Der Zusatz war die Bedingung der CDU/CSU für die Zustimmung zur Grundgesetzänderung Artikel 87a Absatz 1a, mit der der Sonderhaushalt möglich wurde. Die durch das Sondervermögen Bw zu finanzierenden Projekte sind in einem jährlich neu erstellten Wirtschaftsplan zusammen mit dem Bundeshaushalt vom Parlament zu genehmigen. Durch Umschichtungen von Projekten aus dem EP 14 in diesen Wirtschaftsplan kann allerdings Platz für ukrainische Militärhilfen im Regelhaushalt geschaffen werden – der Gesetzeszusatz wird damit zur Fassade.
Letztendlich besteht die Möglichkeit, daß die Ukraine auf eigene Kosten direkt Waffen von deutschen Unternehmen kauft, vorausgesetzt es liegt die Exportgenehmigung vor. Zumindest zu Anfang des Krieges scheint hiervon Gebrauch gemacht worden zu sein, da die Militärhilfen nur zögerlich in Gang kamen. So sollen auf diesem Wege 2.650 Panzerabwehrwaffen beschafft worden sein.
Des weiteren besteht auf EU-Ebene eine „Europäische Friedensfazilität“, die bis 2027 mit derzeit 5,7 Milliarden Euro gefüllt ist. Bereits jetzt sind für die Ukraine 2,5 Milliarden Euro freigegeben. EU-Staaten können ihre Waffenlieferungen auf Antrag aus dem Fonds refinanzieren. Da die beantragten Auszahlungen etwa doppelt so groß sind wie die verfügbaren Fondsmittel, beträgt die Erstattungsquote derzeit 46 Prozent. Polen ist als bislang größter Nutznießer des Fonds unzufrieden und blockierte deshalb zeitweise weitere Zuführungen. Deutschland mit einem Finanzierungsanteil am Fonds von etwa 25 Prozent hat bislang überaus zurückhaltend diese Möglichkeit genutzt – gemäß dem Motto: Geben ist seliger denn Nehmen.
Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ökonomie an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.