In Portugal werfen die nächsten Präsidentschaftswahlen ihre Schatten voraus. Denn obwohl die Portugiesen erst 2026 wieder turnusmäßig über ihr nächstes Staatsoberhaupt abstimmen, wirbelt eine Umfrage das politische Lissabon auf. Erstmals seit dem Ende des portugiesischen Ständestaats erhalten die dortigen Sozialdemokraten (PSD), die hier am äußersten Zipfel Südwesteuropas ironischerweise auf dem Papier eine konservativ-liberale Kraft sind, ernstzunehmende Konkurrenz von rechts.
Die Rede ist von André Ventura, dem Chef der portugiesischen Chega (Es reicht). Er kandidierte zwar bereits 2021 für das höchste Amt im Staat und kam damals auf respektable 11,9 Prozent, doch diesmal geht es um eine Umfrage der Zeitung Correio da Manha, die den Parteichef der Rechtspartei auf Platz zwei im gesamten rechten Lager sieht, lediglich sechs Prozent hinter dem Wunschkandidaten des derzeitigen Amtsinhabers, Pedro Passos Coelho. Besagter Amtsinhaber, Marcelo Rebelo de Sousa, kann nach zwei Amtszeiten nicht mehr für eine dritte kandidieren. Ein Problem für seine arrivierte PSD, die sich bisher immer der Wortführerschaft im rechten Lager sicher sein konnte. Auch 2021 gewann de Sousa mit einer komfortablen Mehrheit; nun könnte sich die Lage für die PSD allmählich eintrüben.
Ventura hingegen sitzt in seiner Partei fest im Sattel. Seine immer noch relativ junge Partei, der noch vor wenigen Jahren von portugiesischen Medien eine Stimmung der „permanenten Guerilla“ aufgrund der internen Konflikte attestiert wurde, hat der vierzigjährige ehemalige Sportmoderator fest im Griff. Diverse Kleinparteien auf der Rechten, wie etwa die „Partei der Nationalen Erneuerung“ hat Chega unter seiner Führung bereits in die politische Bedeutungslosigkeit kannibalisiert. Denn Ventura setzt auf eine Mischung aus Einwanderungskritik und Sozialfürsorge. Wie könne es etwa sein, so fragte er kürzlich seine Follower in den sozialen Medien, daß ein Land mit vier Millionen Menschen unter der Armutsgrenze sein Geld „nicht für soziale Gerechtigkeit, sondern für lebenslange Renten an Politiker ausgibt?“
Eine Mischung aus sozialer und einwanderungskritischer Rhetorik
Eine Anspielung auf eine Reihe von Artikeln in Nachrichten des Landes und eine harte Kritik an der sozialistischen Regierung. Über 239 Expolitiker und Richter erhalten seit Jahren hohe Renten, teils ohne das Rentenalter erreicht zu haben. Auch sonst hält sich Ventura nicht mit Kritik zurück, die portugiesische Staatsbürgerschaft werde „verschenkt“, wetterte er bei einer Rede im Parlament und bezeichnete das politische System als „krank“. Bei seinen Landsleuten zieht die klare Kante. In einer Umfrage Mitte Februar arbeitete sich Chega (12 Prozent) auf einen dritten Platz hinter den beiden großen Parteien der Sozialisten (PS; 28 Prozent) und der PSD (27 Prozent) vor. Die Kurve der Umfragewerte zeigt für Ventura und seine Parteifreunde nach oben – die der PS steil nach unten. Seine Mischung aus sozialer und einwanderungskritischer Rhetorik verfängt bei den Portugiesen offenbar zunehmend gut. Mitverantwortlich dürfte dafür auch die Wirtschaftslage sein; das Wachstum der Wirtschaft hat sich deutlich abgeschwächt, lediglich ein Prozent Zuwachs wird für 2023 erwartet, ein deutlicher Einbruch verglichen mit den über sechs Prozent in 2022. Mittelfristig dürfte Chega von dieser Situation profitieren und zu einem Problem für den Platzhirsch im rechten Lager werden. Langfristig könnte sogar die sozialistische Regierung unter Druck geraten.