© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/23 / 24. Februar 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Selbst an die Brust geheftet
Paul Rosen

Die Vergabe von Orden ist in der Bundesrepublik Deutschland an strenge Vorgaben geknüpft. So darf man sich nicht selber für das vom damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss 1951 gestiftete Bundesverdienstkreuz vorschlagen. Sogenannte Ordensanregungen von Bürgern oder auch Institutionen müssen an die jeweiligen Staats- und Senatskanzleien der Bundesländer gehen, wo sie geprüft werden. Voraussetzung für eine Verleihung ist etwa die ehrenamtliche Tätigkeit, die „mit großem persönlichen Einsatz unter Zurückstellung eigener Interessen längere Zeit ausgeübt worden sein“ muß. Die letzte Entscheidung trifft der Bundespräsident.

Aber keine Regel ohne Ausnahme. Im Bundestag hat sich seit Jahrzehnten eine Praxis etabliert, wonach den Fraktionen Ordenskontingente zur Verfügung gestellt werden. Die Zahl der Orden für die jeweilige Fraktion richtet sich nach deren Stärke im Bundestag. So sollen in der vergangenen Legislaturperiode 25 Abgeordnete mit einem Bundesverdienstkreuz bedacht worden sein; zwölf von der Unionsfraktion, sieben von der SPD, vier von der FDP und zwei von den Grünen. Die AfD wurde nicht bedacht, weil die stillschweigende Übereinkunft offenbar vorsieht, daß Ordensempfänger mindestens zwei Legislaturperioden hinter sich gebracht haben müssen. Die Linksfraktion wollte sich an dem, wie ihr Abgeordneter Jan Korte sagt, „bizarren Verfahren“ nicht beteiligen.

Die Praxis, daß die Fraktionen über den Bundestagspräsidenten beziehungsweise die -präsidentin dem Staatsoberhaupt Ordenskandidaten aus den eigenen Reihen vorschlagen, stand schon lange in der Kritik. Der Parteienexperte Hans Herbert von Arnim hatte dies bereits vor mehreren Jahren als „Perversion des Sinnes von Verdienstorden“ bezeichnet. Inzwischen ist offenbar auch dem Präsidialamt der bequeme Sonderweg für Politiker zum Verdienstorden etwas peinlich geworden. Zwar sollen in dieser Legislaturperiode noch Vorschläge aus dem Bundestag angenommen werden, aber nur noch in geringer Zahl. Von der nächsten Legislaturperiode an sollen nur noch ehemalige Abgeordnete vorgeschlagen werden können.

Der Verdienstorden wird in acht verschiedenen Stufen verliehen. Die erste Stufe ist die Verdienstmedaille oder das Verdienstkreuz am Bande. Wer sich mehr Verdienste erworben hat, kann das Verdienstkreuz 1. Klasse, das Große Verdienstkreuz, das Große Verdienstkreuz mit Stern, das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband, das Großkreuz und die Sonderstufe des Großkreuzes erhalten. Ausländer und im Ausland lebende Deutsche können den Orden ebenfalls erhalten. Diese Vorschläge werden im Auswärtigen Amt geprüft. 

Das Bundesverdienstkreuz scheint in den vergangenen zehn Jahren nicht mehr so begehrt zu sein – oder es gibt nicht mehr so viele Bürger mit außergewöhnlichen Leistungen für das Gemeinwohl. Gab es im Jahr 2013 noch 1.770 Verleihungen, so sank deren Zahl seitdem kontinuierlich auf zuletzt 918 im Jahr 2022.