© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 09/23 / 24. Februar 2023

Stöhn, ächz, seufz in den Kommunen
Flüchtlinge: Mageres Ergebnis beim Gipfel / Deutsche deutlich häufiger Opfer einer Straftat durch Zuwanderer als umgekehrt
Christian Vollradt

Außer Thesen nichts gewesen. So läßt sich zusammenfassen, was als „Flüchtlingsgipfel“ vergangene Woche veranstaltet wurde. Die gastgebende Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hob anschließend hervor, was der Bund in der Asylpolitik schon alles leiste: Platz für 70.000 Zuwanderer habe man in den eigenen Liegenschaften freigemacht, außerdem allein im vergangenen Jahr 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Motto: Wir tun was.

Das Gegenteil sei der Fall, resümiert indes der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager (CDU). Der verhehlt nach dem Treffen seine Enttäuschung nicht. Die Aufnahmekapazitäten der Kommunen seien am Limit. Eine knappe Million Flüchtlinge kamen vergangenes Jahr aus der Ukraine, dazu rund eine Viertelmillion Asyl-Erstantragsteller. Und die meisten der über 800.000, die in den Jahren 2014 bis 2016 aus Syrien, Afghanistan und dem Irak kamen, sind noch hier. Mit 300.000 bis 400.000 Asylbewerbern rechne man für 2023, so Experten, die am Gipfel teilnahmen. Alleine im Januar waren 29.000 Asylerstanträge gestellt worden – mehr als Anfang 2015 und mehr als doppelt so viele wie im Januar 2021. Zuzüge über den Westbalkan sowie über Weißrußland nähmen wieder zu. 

„Innere Sicherheit  leidet unter Zuwanderung“

Die Kommunen können die Zuwanderung nicht steuern, das sei Sache des Bundes. Folglich müsse der auch die finanziellen Lasten tragen und nicht nach unten abwälzen, so der Chef des Landkreistages. Vor allem müsse die irreguläre Zuwanderung „drastisch gedrosselt, besser gestoppt“ werden, forderte Sager. Auch Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) warnte, die Stimmung „droht zu kippen“.

Bezüglich der Stimmung und bei den Sorgen wegen des Zuzugs von Asylbewerbern spielt auch die Frage der Kriminalität, zumal der Gewaltkriminalität eine Rolle. Bestehen diese Vorbehalte zu Recht oder sind es nur „Bauchgefühle“, die aufgrund von spektakulären Fällen in jüngster Zeit – Stichwort Brokstedt oder Illerkirchberg – befeuert werden? Der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner (AfD) hat bei der Bundesregierung nach Zahlen gefragt. Wie sieht es aus mit dem Verhältnis von Straftaten, die von Asylbewerbern oder Personen mit Flüchtlingsstatus gegenüber deutschen Staatsangehörigen begangen wurden zu Straftaten, bei denen  Asylbewerber oder Flüchtlinge Opfer geworden sind und bei denen auf der Seite der Tatverdächtigen deutsche Staatsangehörige standen?

In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden Personen, die mit dem Aufenthaltsanlaß „Asylbewerber“, „Schutz- und Asylberechtigte, Kontingentflüchtlinge“, „Duldung“ oder „unerlaubter Aufenthalt“ erfaßt wurden, als „Zuwanderer“ zusammengefaßt und in dieser gesonderten Kategorie gezählt. 

Aus der Antwort des Bundesinnenministeriums geht hervor, daß im Jahr 2021 beispielsweise in 3.389 Fällen ein deutscher Staatsangehöriger Opfer einer vollendeten Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurde, bei der mindestens eine Person aus der Kategorie „Zuwanderer“ tatverdächtig war (siehe Grafik). In der umgekehrten Konstellation, bei der Zuwanderer Opfer und Deutsche tatverdächtig waren, zählte die Statistik im selben Zeitraum und Deliktbereich 191 Fälle. In den meisten Fällen, in denen der Tatverdächtige Zuwanderer war, stammte dieser aus Syrien (624), gefolgt von Afghanen (505) und Irakern (267).

Bei Straften gegen das Leben wurde 2021 insgesamt 25mal ein Deutscher als Opfer registriert, bei der auf seiten der Tatverdächtigen zumindest ein Zuwanderer erfaßt wurde; umgekehrt wurden achtmal Zuwanderer Opfer deutscher Tatverdächtiger. Bei Körperverletzungen zählte man 14.885mal ein deutsches Opfer bei Tatverdächtigen aus der Kategorie Zuwanderer, und 7.734mal einen Zuwanderer als Opfer einer vollendeten Straftat durch Deutsche. Auch hier rangierten Syrer an erster Stelle bei der Aufschlüsselung nach Herkunft (3.051 Fälle), gefolgt von Afghanen (1.415) und Irakern (1.043). Bei Straftaten gegen die persönliche Freiheit waren 2021 Deutsche in 8.279 Fällen Opfer von Zuwanderern und in 2.038 Fällen ein Zuwanderer Opfer deutscher Tatverdächtiger. 

Zwar verwendet das Statistische Bundesamt den Begriff „Zuwanderer“ abweichend von dieser Definition, doch gibt es laut einer Auskunft der Behörde gegenüber der JUNGEN FREIHEIT eine hohe Überschneidung der Personengruppe der „zugewanderten Schutzsuchenden“ mit der Definition der „Zuwanderer“ in der Polizeilichen Kriminalstatistik. Legt man das zugrunde, haben diese einen Anteil von ungefähr 1,9 Prozent an der Bevölkerung in Deutschland.   

„Auch mal harte Entscheidungen treffen“

In Anbetracht dieser Größenverhältnisse sei „nicht mehr von der Hand zu weisen, daß die Innere Sicherheit Deutschlands in den letzten Jahren am stärksten unter der anhaltend hohen Zuwanderung von nichteuropäischen Migranten gelitten hat“, faßt Brandner, das Ergebnis der Antwort auf seine Anfrage zusammen. „Die Zahlen der Bundesregierung sind schockierend und zeigen deutlich auf, daß Deutsche wesentlich häufiger Opfer einer Straftat werden, die von einem Zuwanderer begangen wurde, als dies umgekehrt der Fall ist“, sagte der Stellvertretende AfD-Vorsitzende der jungen freiheit. Die Bundesregierung müsse daher „unverzüglich einen radikalen Kurswechsel in der Migrationspolitik vollziehen und den Zuzug von nichtintegrationsfähigen Einwanderern nach Deutschland unterbinden“, fordert Brandner. 

Für eine Kehrtwende in der Asylpolitik plädiert auch eine Gruppe innerhalb der Grünen, die sich mit einem schlagzeilenträchtigen Aufruf an die Öffentlichkeit wandte. Die „Vert Realos“ – vom französischen vert (grün) – appellieren an die politisch Verantwortlichen, stärker zwischen „Kriegs- und Katastrophenflüchtlingen und Menschen, die ein vor allem wirtschaftlich besseres Leben“ suchten, zu unterscheiden. Aus Verantwortung für das Land seien dabei auch harte Entscheidungen zu treffen. 

Migranten hätten häufig eine andere Sozialisation erfahren, daher könne nicht vorausgesetzt werden, daß sie Werte wie „die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Trennung von Staat und Religion, Freiheit und Gleichberechtigung unterschiedlicher individueller Lebensentwürfe“ teilten. Diese Grundlagen seien „von Staat, Politik und Gesellschaft zu vermitteln, einzufordern und wo nötig auch durchzusetzen“. Die Strukturen in Deutschland hätten ihre „Belastungsgrenze“ erreicht, die Akzeptanz in der Bevölkerung sinke. Es gäbe kein „klares Integrationskonzept“, gerade für Menschen aus „islamisch geprägten Gesellschaften“, kritisierten die Unterzeichner.

Zu ihnen gehören unter anderem Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der bayerische Landrat Jens Marco Scherf (siehe Seite 3), der ehemalige Bundestagsfraktionsvorsitzende Rezzo Schlauch, die frühere Grünen-Fraktionsvorsitzende im EU-Parlament, Rebecca Harms, und die Afrika-Beauftragte des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD), Uschi Eid. Bei den Grünen verweist man auf die Bedeutungslosigkeit der Gruppe. Das seien die „Rechtsaußen“ der Partei; Aufmerksamkeit soll ihnen nicht geschenkt werden, die nütze nur dem Palmer, gegen den ein Ausschlußverfahren läuft. Kritik an dem Positionspapier äußerte Hannovers grüner Oberbürgermeister Belit Onay. Er warf der Gruppe eine „toxische Grundhaltung“ und das Führen einer „Phantomdebatte“ vor. Die Willkommenskultur in Deutschland sei nicht erschöpft. 

Für die Finanzen zumindest gilt nach Überzeugung anderer Kommunen-Vertreter solch eine Beschwichtigung nicht. Spätestens im April soll es einen weiteren Gipfel geben; dann bei Bundeskanzler Olaf Scholz. Denn nur der könne für eine echte Kehrtwende sorgen.