© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 8/23 / 15. Februar 2023

Wie gewonnen, so zerronnen
Unternehmen: Tesla hat seinen Bösenwert halbiert / Hat sich Elon Musk bei Twitter übernommen?
Thomas Kirchner

Elon Musk hält viele Rekorde. 2021 leistete er mit elf Milliarden Dollar die höchste, je von einer Privatperson gezahlte Steuer. Er hält auch den Weltrekord in Vermögensvernichtung. Um mehr als 200 Milliarden Dollar schrumpfte sein Vermögen von 338 Milliarden im November 2021 auf 126 Milliarden Anfang Januar 2023. Treibende Kraft waren die wilden Kurssprünge der Tesla-Aktie, die von der Spitze um mehr als zwei Drittel einbrach. Doch in diesem Jahr geht es wieder aufwärts. Mit der Verdopplung der Tesla-Aktie legte Musks Vermögen in nur einem Monat um fast die Hälfte zu.

Musk stand in konservativen Kreisen oft in der Kritik, weil Tesla nur durch Subventionen und den CO2-Zertifikatehandel überleben konnte. Inzwischen hat sich Tesla als gewinnbringender Hersteller etabliert, der auch ohne Hilfen gute Geschäfte macht. Musk hingegen wird von der politischen Linken und der EU-Bürokratie angegriffen, seit er Twitter gekauft und nicht nur die Zensur konservativer Meinungen beendete, sondern Einflußnahmen der Vergangenheit von neutralen Journalisten aufarbeiten ließ. Viele hoffen sogar, daß Musk sich mit der Twitter-Übernahme übernommen hat und Twitter der Nagel in Musks Sarg wird. Wie dramatisch ist die Lage, nüchtern betrachtet?

Twitter ist schon lange ein Managementdesaster. Gründer Jack Dorsey kehrte 2015 als Chef zurück, um das Unternehmen, das sich mit Zukäufen verheddert hatte, wieder auf Gewinnkurs zu bringen. Doch Dorseys Herz lag bei dem von ihm gegründeten Zahlungsdienstleister Square (jetzt „Block“), Twitter war Nebenjob. Als er sich 2020 auf unbestimmte Zeit zur Selbstfindung nach Afrika zurückziehen wollte, ohne den Chefsessel zu räumen, überlebte er die Aktionärsrevolte nicht. Sein Nachfolger Parag Agrawal, vormals Technologiechef des Unternehmens, war zu höflich, die Mottenkiste gründlich aufzuräumen. Das laxe Arbeitsethos der Angestellten war legendär – im Internet kursieren Videos, die entspannte Arbeitszeit bei Yoga und Weingenuß zeigen.

Um so härter muß Musk nun bei der überfälligen Sanierung durchgreifen. Seine Übernahme wird für den Verlust bekannter Anzeigenkunden verantwortlich gemacht, doch vermutlich hat der Eigentümerwechsel ohnehin geplante Rückzüge lediglich beschleunigt, nicht verursacht. Denn Twitters Einnahmen waren schon vorher rückläufig. Jetzt ist Twitter ein klassischer Sanierungsfall: Schrumpfung bei hohen Schulden mit verstaubtem Geschäftsmodell. Doch Musk ist Unternehmer, nicht Abwickler. Es ist unwahrscheinlich, daß er Twitter kaufte, ohne Wachstumspotential zu erahnen.

Der Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar war völlig überzogen

Und es ist klar, wohin die Reise geht. Im Januar beantragte Twitter in mehreren US-Bundesstaaten Lizenzen als Zahlungsdienstleister, nachdem es sich bereits im November beim US-Finanzministerium registriert hatte. Zuvor soll Musk sich an Anleger gewandt haben mit dem Plan, zusätzliches Kapital für eine „Super-App“ aufzunehmen. Damit wiederholt Musk nicht nur seinen Einstieg ins Internet-Unternehmertum aus den späten 1990er Jahren, als er Paypal mitgründete, sondern will offenbar auch das chinesische WeChat kopieren, das als „App für alles“ mit zusätzlichen Funktionen ein Vorbild für das künftige Twitter sein könnte. Bis 2028 sollen Zahlungen für Einnahmen von 1,3 Milliarden Dollar jährlich sorgen. Leicht wird das allerdings nicht, denn der Wettbewerb in diesem Bereich ist hart. Andererseits schafft das einst von Musk gegründete Paypal heute Einnahmen von 27 Milliarden Dollar und hat einen Marktwert von 91 Milliarden. Einiges Potential gibt es also, und es geht weit über die Möglichkeiten von Werbung im aktuellen Twitter hinaus.

Daß der Kaufpreis von 44 Milliarden Dollar für das alte Twitter völlig überzogen war, ist unbestritten. Kleine Änderungen wie die kostenpflichtige Verifizierung von Nutzerkonten werden zwar Millionen in die Kassen spülen, aber nicht die nötigen Milliarden. Der Kaufpreis erfordert große Veränderungen. Bleibt nur die Frage, ob Twitter lange genug überleben kann, um Musks Ideen umzusetzen. Werbeeinnahmen sind um 40 Prozent gefallen. Eine Milliarde hatte Twitter am Jahresende auf der Bank liegen, doch davon sind Ende Januar 300 Millionen an Zinszahlungen abgeflossen. Einsparungen allein werden nicht ausreichen. Musk und seine sieben Mitanleger werden Kapital nachschießen müssen.

Zu Unrecht sangen manche den finanziellen Abgesang auf Musk. Selbst wenn die Tesla-Aktie wieder auf neue Tiefststände fallen sollte, bliebe ihm genug finanzieller Spielraum, auf eigene Rechnung Twitter zu unterstützen. Dennoch muß er auf Ausgabendisziplin achten. Die Unterstützung der Ukraine durch Starlink (SpaceX) kostet ihn 50 Millionen Dollar monatlich. Die Kosten dafür wollte er sich vom Pentagon erstatten lassen, das ablehnte. Vorwürfe von Starlink vor wenigen Tagen, die Ukraine halte sich nicht an den Vertrag, muß man in diesem Licht sehen. Offenbar will Musk die Kosten endgültig loswerden.

Musk ist übrigens nicht der einzige Milliardär, dessen Vermögen angesichts der steigenden Zinsen an Wert verliert. Besonders dramatisch verlief die Talfahrt bei Gautam Adani ab, dem viertreichsten Menschen der Welt, dessen indisches Konglomerat innerhalb weniger Tage 100 Milliarden Dollar an Wert verlor, nachdem Hindenburg Research LLC in einem Bericht vor Aktienmanipulation gewarnt hatte. Der aktivistische New Yorker Leerverkäufer hatte sich mit der Enttarnung eines Betrugs beim Elektrolastwagenhersteller Nikola einen Namen gemacht, dessen Ex-Chef Trevor Milton inzwischen im Knast sitzt. Ob Hindenburg auch bei Adani richtigliegt, wird sich noch zeigen.

Elon Musks Vermögen

im Februar 2023 in Milliarden Dollar

Musks Anteile 


Tesla (Aktien)13%70,2 Mrd.

Tesla (Optionen)umstritten48,4  Mrd.

SpaceX42%48,9  Mrd.

Twitter79%11,6 Mrd.

Boring Company100%3,3 Mrd.

Verbindlichkeiten100%-3,4 Mrd.

Geschätztes 

Gesamtvermögen:179,0 Mrd.