© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/23 / 10. Februar 2023

„Für so etwas müssen wir auf der Gewinnerseite stehen“
Fliegerheld und Kriegsverbrecher: Zum 100. Geburtstag der US-amerikanischen Überschall-Legende Chuck Yeager
Thomas Schäfer

Charles Elwood „Chuck“ Yeager, dessen Geburtstag sich am 13. Februar zum 100. Male jährt, war eine US-amerikanische Fliegerlegende, die Luftfahrtgeschichte schrieb, und zugleich auch ein Kriegsverbrecher.

Der Nachkomme deutscher Einwanderer, die in West Virginia siedelten, sollte eigentlich Mechaniker werden, zeigte dann aber sehr schnell ein außergewöhnliches fliegerisches Talent. Im Dezember 1943 kam der nunmehrige Kampfpilot Yeager nach England und unternahm von dort aus 61 Feindflüge. In deren Verlauf holte er bis zum 15. Januar 1945 13 deutsche Maschinen vom Himmel und avancierte zum ersten Fliegerass der 357th Fighter Group. Dies resultierte vor allem aus dem spektakulären Abschuß einer strahlgetriebenen Messerschmitt Me 262 und den Luftsiegen über fünf gegnerische Flugzeuge während eines einzigen Einsatzes.

Daß der unter anderem mit dem Silver Star und Distinguished Flying Cross dekorierte Fliegerheld auch Kriegsverbrechen begangen hatte, offenbarte er selbst in seiner 1986 erschienenen Autobiographie. Darin schildert Yeager die Einsätze über dem Deutschen Reich, bei denen er wild entschlossen war, „loszuhämmern auf diese Deutschen“. Dazu gehörte auch, im Rahmen von Tieffliegerangriffen „auf alles zu schießen, was sich bewegte“, wobei dies Zivilisten ausdrücklich mit einschloß. Yeagers Entschuldigung hierfür lautete: „Der Bauer, der sein Kartoffelfeld pflügte, ernährte vielleicht deutsche Truppen.“ Gleichzeitig begriff der Sohn eines Landwirtes durchaus, was er tat, wie aus der detaillierten Schilderung einer Einsatzbesprechung hervorgeht. Bei dem Briefing habe er anderen Piloten zugeflüstert: „Wenn wir so etwas machen, müssen wir wirklich versuchen, auf der Gewinnerseite zu stehen.“

Nach der Rückkehr in die Heimat wurde Yeager Testpilot und erhielt die Gelegenheit, das neuartige raketengetriebene Experimentalflugzeug Bell X-1 zu steuern. Dabei gelang ihm am 14. Oktober 1947 der erste bemannte horizontale Überschallflug: In 13 Kilometern Höhe über der kalifornischen Mojave-Wüste erreichte der X-1-Prototyp 46-062 eine Geschwindigkeit von 1.125 Stundenkilometern – das entsprach Mach 1,06. Und am 12. Dezember 1953 beschleunigte Yeager dann die noch leistungsstärkere Bell X-1A auf Mach 2,44, also mehr als doppelte Schallgeschwindigkeit.

Aufgrund seiner fliegerischen Brillanz wurde Yeager 1962 zum ersten Leiter der US Air Force Aerospace Research Pilot School (ARPS) ernannt, welche auch Astronautenanwärter wie Neil Armstrong ausbildete. Er selbst konnte nicht am Trainingsprogramm für Weltraumflüge teilnehmen, weil ihm der von der Nasa vorausgesetzte Hochschulabschluß fehlte.

1966 übernahm der nunmehrige Colonel Yeager das Kommando über die 405th Tactical Fighter Wing, wonach er persönlich 127 Bombenangriffe gegen Nordvietnam flog. Dabei agierte er ähnlich kaltschnäuzig wie im Zweiten Weltkrieg und beteuerte, die Einsätze würden ihm „keinerlei philosophische Probleme“ bereiten.

Yeagers Militärlaufbahn endete am 1. März 1975, als er im Rang eines Brigadegenerals aus der United States Air Force ausschied. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Ausnahmepilot 17.000 Flugstunden auf 208 verschiedenen Flugzeugtypen absolviert – dabei war er einmal abgeschossen worden und einmal abgestürzt. Zehn Jahre später überreichte Ronald Reagan ihm die Presidential Medal of Freedom, eine der beiden höchsten zivilen Auszeichnungen der USA. Chuck Yeager, der es im Laufe seines Lebens zudem auch zum mehrfachen Millionär brachte, starb am 7. Dezember 2020 im Alter von 97 Jahren.