© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/23 / 10. Februar 2023

Konservativer Bruderkrieg
Steven Crowder gegen Ben Shapiro: Wo stehen alternative Medien, wenn der Rubel rollt?
Tobias Albert

Eine Schlammschlacht erschüttert das „Intellectual Dark Web“, das englischsprachige Netzwerk von politisch inkorrekten Internetpersönlichkeiten. Oberflächlich geht es um die gewaltige Summe von 50 Millionen US-Dollar, doch der Konflikt wirft die tiefere Frage auf, wie die Gegenöffentlichkeit sich medienpolitisch positionieren will.

Angefacht wurde der Streit von Steven Crowder, mit fast sechs Millionen Abonnenten der größte konservative Youtuber. Crowder las aus einem Vertragsangebot vor, das ihm eine konservative Medienfirma unterbreitet hatte und das empfindliche Geldstrafen beinhaltete, falls Crowder von seiten wie Facebook oder Youtube gesperrt oder demonetarisiert werden würde. Crowder, der bereits von Youtube demonetarisiert worden ist, echauffierte sich öffentlich über diesen nicht auf ihn zugeschnittenen, etwas realitätsfernen Vertrag. Seine Kampagne „Stop Big Con“ warnt davor, daß einige mittlerweile groß gewordene, alternative Medien auf der Jagd nach Profiten ihre Kreativköpfe von der Willkür von Big Tech abhängig machen und sich der „Cancel Culture“ ausliefern würden. „Konservative Medienriesen sind nicht besser als Big Tech“, heißt es in der Videobeschreibung von Crowders Anklage. Zudem würden Vermarktungsrechte von Fanartikeln und die Verwaltung von Crowders Konten auf Facebook, Youtube, Spotify und anderen sozialen Medien an den Vertragspartner fallen – er wäre somit in vollständiger Abhängigkeit.

Nur finanzstark hat man eine Chance gegen den Mainstream

Der 35jährige hatte nicht offengelegt, um welche Firma es sich handelte, doch die Spekulationen wurden schnell beendet, als wenige Tage später Daily Wire mit einer Gegendarstellung aufwartete. Der Arbeitgeber von unter anderem Ben Shapiro und Jordan B. Peterson erklärte, Crowder den Vertrag angeboten zu haben und daß die Vertragsstrafen dazu dienten, die Firma gegenüber Einnahmeverlusten zu versichern, die sich durch Einschränkungen auf den sozialen Medien ergeben. Allerdings goß Daily Wire auch Öl ins Feuer, indem man hinzufügte, Crowder satte 50 Millionen Dollar über vier Jahre angeboten zu haben. Crowder stand nun nicht mehr als Rebell, sondern als Gierschlund da. Der Fall verdeutlicht: In den USA sind die alternativen Medien längst ein Millionengeschäft, mit allen zuweilen negativen Dynamiken, die im Mainstream zu beobachten sind.

Der frühere Investigativjournalist Tim Pool, dessen Podcast auf Youtube über eine Million Abonnenten hat, sah sich unfreiwillig zwischen den Fronten, da er im Abstand von wenigen Tagen Candace Owens von Daily Wire und Steven Crowder zu Gast hatte. Owens beschuldigte Crowder, diesen Skandal orchestriert zu haben, um selbst daraus Kapital zu schlagen. Tatsächlich hatte Crowder StopBigCon.com schon Wochen vor seinem Enthüllungsvideo als Internetseite registriert, während er noch seinem früheren Netzwerk „The Blaze“ angehörte. 

Crowder wiederum betonte, daß 12,5 Millionen Dollar pro Jahr zwar enorm viel Geld seien, aber davon sein zwanzigköpfiger Mitarbeiterstab sowie die Anwaltskosten in zahlreichen Rechtsstreiten bezahlt werden müßten, in denen er sich wegen seiner provokanten Äußerungen ständig befinde. Daily Wire habe dies bewußt verschwiegen, um es so darzustellen, als wäre Crowder die gebotene Summe als persönliches Gehalt in Aussicht gestellt worden. Zudem unterschlage Daily Wire, daß Crowder über seine Plattform „Mug Club“ bereits Hunderttausende zahlende Premiumabonnenten habe, die er Daily Wire als Kunden mitgebracht hätte.

Vielleicht würde sich der Konflikt als Flächenbrand durch die konservative Medienlandschaft ausbreiten, hätten nicht Stimmen wie Tim Pool zur Besonnenheit gemahnt und betont, beide Seiten zu berücksichtigen. Daily Wire konnte mediale Großprojekte wie die Dokumentation „What is a Woman?“ und den Westernfilm „Terror of the Prairie“ mit Ex-Hollywoodstar Gina Carano nur finanzieren, indem es die Firmenmethoden der etablierten Medien kopierte. Durch seine Größe habe Daily Wire eine mediale Schlagkraft, die bis in den Mainstream vordringt. Andererseits dürfe das nicht zu einem Monopolisten unter den alternativen Medien führen, dessen Beziehungen zu Big Tech verhindern, daß andere konservative Medienschaffende Risiken eingehen und schwierige Themen ansprechen.

Als Nebeneffekt der Debatte wissen nun auch die Vertreter der Cancel Culture, daß eine Sperrung auf den sozialen Medien für Daily-Wire-Angestellte erhebliche Einnahmeverluste bedeutet – sicherlich eine lohnende Motivation für den Mob, sich auf Peterson, Shapiro und andere einzuschießen. Als Hoffnungszeichen sollten alternative Medien auch in Deutschland allerdings zur Kenntnis nehmen, daß solche gewaltigen Geldsummen nur angeboten werden, weil dahinter auch eine gewaltige Nachfrage nach freien und unangepaßten Medien steht.