© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/23 / 10. Februar 2023

Brutal und manchmal gnadenlos
Illustre Moscheenamen in Deutschland und ihre Geschichten: Über Erlöser, Eroberer, Grausame und Trunkenbolde
Thomas Schäfer

Wie das Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig und das Wochenblatt Die Zeit 2020 ermittelten, existierten damals bereits um die 2.800 Moscheen in der Bundesrepublik – und inzwischen dürften es noch einige mehr geworden sein. Das resultiert nicht zuletzt aus der regen Bautätigkeit der islamischen Reformgemeinschaft Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ), welche das Ziel verfolgt, möglichst schnell einhundert neue Moscheen in Deutschland zu errichten. Und natürlich folgt die Namensgebung für all diese Gotteshäuser einer wohlüberlegten Symbolik. Dabei zeigen sich aber deutliche Unterschiede zwischen den Moscheen der Sunniten, Schiiten und Ahmadiyya.

Die letzteren bevorzugen relativ neutrale Bezeichnungen wie Nuur-Moschee (Moschee des Lichts), Bait us-Sami (Haus des Allhörenden), Bait ul-Hadi (Haus des geraden Weges) oder Bait ul-Aman (Haus des Friedens). Eine der wenigen Ausnahmen ist die Khadija-Moschee in Berlin-Heinersdorf, welche den Namen der ersten Ehefrau des Propheten Mohammed und somit auch ersten Muslimin der Geschichte, Chadīdscha bint Chuwailid (ca. 555–619), trägt.

Bei den über 150 Mitgliedern der Islamischen Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS) wiederum ist es Brauch, Moscheen nach einem der zwölf Imame der Schia von Abū l-Hasan Alī ibn Abī Tālib (ca. 600–661) bis hin zu Muhammad ibn al-Hasan al-Mahdi (eine fiktive Erlösergestalt) zu benennen. Davon zeugen unter anderem die Imam-Ali-Moschee in Hamburg, die Imam-Cafer-Sadik-Moschee in Berlin-Wedding und die Imam-Riza-Moschee in Berlin-Neukölln.

Hingegen ist das Namensspektrum bei den sunnitischen Gotteshäusern wesentlich größer. Es reicht von einem schlichten „Merkez Camii“ für „Zentralmoschee“ über Begriffe von religiöser Bedeutung wie „Tauhīd“ (Einheit und Einzigartigkeit Allahs), „Hicret“ (Auswanderung Mohammeds von Mekka nach Medina) und „Taqwā“ (Gottesfurcht) bis hin zur Hommage an Personen der türkischen beziehungsweise islamischen Geschichte. Als Beispiel für letzteres können die 27 Mevlana-Moscheen in Deutschland dienen, die nach dem Mystiker Dschalāl ad-Dīn Muhammad Rūmī alias Maulana (1207–1273) benannt wurden. Andere beliebte Namenspaten sind der osmanische Architekt Yusuf Sinan bin Abdullah alias Mimar Sinan (ca. 1490–1588), der anatolische Dichter Yunus Emre (ca. 1240–1321) und der islamische Theologe Abū Hanīfa (699–767).

Dazu kommen indes auch Namen, die implizite provokante Botschaften an Nichtmuslime enthalten. So stehen die al-Quds-Moscheen – abgeleitet vom arabischen Wort für Jerusalem – für den islamischen Alleinanspruch auf die „Heilige Stadt“. Das gleiche gilt für die etwa 15 al-Aqsa-Moscheen auf deutschem Boden. Sie gemahnen daran, daß neben der Großen Moschee in Mekka mit dem Zentralheiligtum der Kaaba und der Propheten-Moschee in Medina, wo sich das Grab Mohammeds befindet, noch eine dritte heilige Stätte des Islam auf dem Jerusalemer Tempelberg existiert, deren Zugang derzeit aber von Juden kontrolliert wird. Ebenso gibt es etwa 25 Ayasofya-Moscheen in Deutschland, wobei „Ayasofya“ die türkische Form von „Hagia Sophia“ ist. Dadurch erinnert der Name auch an die gewaltsame Umwandlung des religiösen Hauptgebäudes und symbolischen Mittelpunktes der christlichen Orthodoxie in eine Moschee nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels.

Doch damit nicht genug. Auffällig viele Gotteshäuser der von der Regierung in Ankara kontrollierten Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion, der berüchtigten Ditib, tragen zudem die Namen historischer Persönlichkeiten, welche für ihr brutales Vorgehen gegenüber politisch-religiösen Konkurrenten oder die grausame Behandlung angeblicher „Ungläubiger“ bekannt sind. Hierzu zählen unter anderem die ersten beiden Kalifen, also Abū Bakr (573–634) und Umar ibn al-Chattāb alias al-Fārūq (592–644). Abū Bakr schlug den Aufstand der arabischen Stämme nieder, die sich nach dem Tode Mohammeds wieder vom Islam abgewandt hatten, und Umar, unter dessen Führung die Muslime den Nahen Osten eroberten, initiierte beispielsweise die Enthauptung von Kriegsgefangenen.

Ebenfalls häufig gewürdigt werden Abū Ayyūb al-Ansārī alias Eyüp Sultan (576 – ca. 670) und Tāriq ibn Ziyād (ca. 670–720). Der eine war ein weiterer Weggefährte Mohammeds, welcher bei der erfolglosen ersten Belagerung der christlichen Metropole Konstantinopel den Tod fand, und der andere ein berberisch-muslimischer Feldherr, der das Westgotenreich eroberte.

Und dann wären da noch die osmanischen Sultane Bayezid I. alias Yıldırım (Der Blitz) (1360–1403), Mehmed II. alias Fātih (Der Eroberer) (1432–1481), Selim I. alias Yavuz (Der Grausame) (1470–1520) und Selim II. alias Sarhoş (Der Trunkenbold) (1524–1574). Schon die wenig sympathischen Namen der Herrscher lassen auf deren überaus zweifelhaften Charakter schließen. Und in der Tat: Bayezid I. begründete die Tradition des Brudermords beim Amtsantritt eines neuen Sultans, und er führte zahlreiche Kriege gegen das Byzantinische Reich und anatolische Fürstentümer, bis er schließlich dem turkmongolischen Herrscher Temür ibn Taraghai Barlas alias Tamerlan unterlag.

Mehmed II. wiederum gelang am 29. Mai 1453 die Eroberung Konstantinopels, womit das Ende von Byzanz besiegelt war. Bei der Plünderung der Stadt wurden Tausende Einwohner massakriert, darüber hinaus landeten bis zu 50.000 Christen in der Sklaverei. Weitere Feldzüge führten Mehmed nach Anatolien und in die Landstriche des heutigen Serbien, Bosnien, Ungarn, Italien, in die Ägäis und auf die Krim. Ansonsten ließ der „Eroberer“ auch noch seinen Halbbruder Küçük Ahmed im Kindesalter ermorden. An diesen Gewaltherrscher erinnern heute nicht weniger als 52 Moscheenamen auf deutschem Boden.

Der ebenfalls für seine Gnadenlosigkeit berüchtigte Selim I. führte als erster osmanischer Sultan zugleich auch den Titel eines Kalifen und Hüters der heiligen Stätten des Islam in Mekka und Medina. Er stürzte seinen Vater vom Thron und ließ anschließend alle seine Brüder und Neffen hinrichten. Als strenggläubiger Sunnit tyrannisierte Selim die „ketzerischen“ Aleviten und Schiiten. Darüber hinaus befahl er die Hinrichtung des letzten mamlukischen Sultans von Ägypten, Tuman Bay.

Und Selim II., der nach acht Jahren auf dem Thron im Vollrausch zu Tode stürzte, konnte ebenfalls bloß deshalb Sultan werden, weil ein aussichtsreicherer Kandidat sterben mußte. Anschließend widmete er sich vor allem dem Alkohol sowie der Eroberung Zyperns und Tunesiens.

Bosnischstämmige Muslime 

sorgen in Ingolstadt für Unmut

Neben der problematischen Benennung von islamischen Gotteshäusern nach diesen acht historischen Persönlichkeiten machte vor kurzem auch noch die Entscheidung der bosnischstämmigen Muslime von Ingolstadt von sich reden, ihrer „Kulturgemeinschaft“ samt dazugehöriger Moschee den Namen von Husein Đozo (1912–1982) zu geben. Immerhin war der islamische Theologe Đozo 1943 in die Waffen-SS eingetreten, wonach er bis zum Sturmbannführer und Haupt-Imam der 13. Waffengebirgsdivision der SS Handschar aufstieg. 

Dieser muslimische Kampfverband beging auf dem Balkan unzählige Greueltaten gegen serbische und jüdische Zivilisten. Đozo selbst schrieb an den Reichsführer SS, Heinrich Himmler, es sei ihm eine Ehre, sein Leben „für den großen Führer Adolf Hitler und das Neue Europa“ einzusetzen. Wegen dieser Kollaboration mit den Nationalsozialisten wurde der Geistliche nach dem Krieg zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

Späterhin avancierte er dann freilich zum Präsidenten der islamischen Organisation Ilmija in der Sozialistischen Republik Bosnien und Herzegowina sowie zum Professor für Koran-Interpretation an der Universität von Sarajevo. Am 6. Oktober 1990 traf die Oberste Versammlung der Islamischen Gemeinschaft von Bosnien und Herzegowina schließlich sogar die Entscheidung, Đozo, der inzwischen vor allem zum „Sieg des Dschihad im Nahen Osten“ beitragen wollte, vollständig zu rehabilitieren. Allerdings bewirkte die öffentliche Kritik an der Verwendung des Namens Đozo, daß die Ingolstädter Moscheeanlage neuerdings nur noch als „Bosniakisches Kulturzentrum Ingolstadt“ firmiert.