© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/23 / 10. Februar 2023

„Eine Frage der Gerechtigkeit“
Sozialversicherung: 53 Prozent der Frauen erhielten 2021 eine monatliche Altersrente von unter 850 Euro
Christian Schreiber

Im Bundestagswahlkampf 1986/87 plakatierte Norbert Blüm: „Eins ist sicher: Die Rente.“ Das Versprechen des linken CDU-Sozialministers überzeugte viele Wähler, und Helmut Kohl konnte weiterregieren. Auch in den folgenden Jahrzehnten war auf die umlage- und teilweise steuerfinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) prinzipiell Verlaß – trotz diverser Reformen, Krisen, Nullzinsen und Inflation oder Schwankungen der GRV-Beiträge zwischen 17,5 und 20,3 Prozent.

Die Regelaltersgrenze ist aber gestiegen, bis 2031 klettert sie schrittweise auf 67 an. Ökonomen wie Jochen Pimpertz vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnen danach sogar mit 70 Jahren. Völlig unsicher ist die Rentenhöhe, denn die Zahl der Rentenbezieher ist von 19,3 Millionen (1992) auf 25,9 Millionen (2021) gestiegen – bei einem seit 2018 unveränderten Beitragssatz von 18,6 Prozent. Das wird künftig immer mehr spürbar. Das geht aus einer Kleinen Anfrage der AfD-Fraktion betreffend die „Armut von Frauen in Deutschland“ (Drucksache 20/5072) an die Bundesregierung hervor. Danach steuert jede dritte Frau mit einer Vollzeitstelle nach 40 Arbeitsjahren auf eine Rente von weniger als 1.000 Euro netto zu. Für 1.000 Euro netto müssen Beschäftigte derzeit 40 Jahre lang durchgehend 2.844 Euro brutto im Monat verdienen; für 1.200 Euro Rente sind es 3.413 Euro.

„Die jüngsten Zahlen der Rentenstatistik sind alarmierend und belegen die Armutsgefährdung von Frauen im Alter“, erklärte Gerrit Huy, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion. So erhielten 53 Prozent der Rentnerinnen 2021 eine monatliche Altersrente von unter 850 Euro. Zudem steige der Anteil der Kleinstrenten mit der Kinderzahl: Der Median der Altersrenten (Mittelwert ohne Verzerrung durch besonders niedrige und hohe Einzelzahlungen) von kinderlosen Männern und Frauen lag 2021 bei 1.210 Euro netto – bei zwei Kindern waren es nur 826 Euro, bei vier und mehr Kindern nur 695 Euro. Dies sei ein „sozialpolitischer Skandal, den die Bundesregierung nicht länger ignorieren darf“. Frauen, die viele Jahre gearbeitet und Kinder erzogen haben, müßten eine armutsfeste Rente erhalten: „Die Anerkennung der Lebensleistung von Frauen ist schließlich eine Frage der Gerechtigkeit und muß endlich Chefsache werden“, so die frühere Daimler- und IT-Managerin.

Daß Frauen häufig in schlecht bezahlten Dienstleistungs- statt in technischen Berufen arbeiten, ist nicht der Ampel oder früheren Bundesregierungen anzulasten. Auch einen „Gender-Pay-Gap“ gibt es nicht – Frauen und Männer werden im selben Beruf gleich bezahlt. Daß eine auskömmliche Rente dennoch möglich ist, zeigt Österreich: Hier lag 2021 schon die Mindestrente („Pension mit Ausgleichszulage“) für Alleinstehende bei 1.208 und für Ehepaare bei 1.752 Euro. Im österreichischen Durchschnitt waren es, umgerechnet von den dortigen 14 auf die zwölf deutschen Bruttomonatszahlungen, bei Männern 2.273 und bei Frauen 1.370 Euro. In Deutschland gab es laut GRV-Statistik – bei mindestens 35 Versicherungsjahren – nur 1.637 bzw. 1.226 Euro. Einen Wermutstropfen gibt es: In Österreich liegt der Rentenbeitragssatz bei 22,8 Prozent. 55 Prozent davon werden vom Arbeitgeber und 45 Prozent vom Arbeitnehmer entrichtet.


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