© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/23 / 10. Februar 2023

Die US-Notenbank Fed am Ende ihrer lockeren Geldpolitik?
Horrende Defizite
Thomas Kirchner

Thomas Michael Hoenig war von 1991 bis 2011 Präsident der Federal Reserve Bank von Kansas City. Er war der einzige im Fed-Zentralbankrat, der am 3. November 2010 gegen die Politik der „Quantitativen Lockerung“ (QE) stimmte. Der „Anti-Inflations-Falke“ befürchtete, ein Ausstieg würde wegen der Nebenwirkungen unmöglich. Jetzt zeigt sich, daß er richtiglag. Doch während Ben Bernanke 2022 den Nobelpreis bekam und Janet Yellen US-Finanzministerin wurde, fristet der 76jährige am Mercatus Center der George-Mason-Universität in Arlington ein Mauerblümchendasein.

Am 17. September 2019 brach kurzzeitig der Markt für Rückkaufvereinbarungen (Repo) zusammen. Durch die synchronen Leitzins­erhöhungen von Fed, EZB und der Bank of England wird es nun richtig spannend. Die Wertpapiere in Höhe von 4,3 Billionen Dollar, die seit der Corona-Krise in der Fed-Bilanz landeten, wurden nicht mehr durch Gelddrucken, sondern in den Geldmärkten finanziert. Vor 20 Jahren finanzierte die frisch geschaffene Geldmenge noch 91 Prozent der Fed-Bilanz, heute nur 27 Prozent. Die Corona-Anleihekäufe sollten geldmengenneutral stattfinden. Deshalb konkurriert die Fed direkt mit dem Bankensektor im Repo-Markt. Dort leiht sie sich für 4,75 Prozent Geld von jedem, der eine Anleihe als Sicherheit akzeptiert (Minimum: eine Million). Banken zahlen derzeit im Schnitt 0,13 Prozent Zinsen auf Konten. Kein Wunder, daß den Banken die Einlagen der Großkunden in Richtung Repomarkt davonrennen und Kleinanleger in Geldmarktfonds fliehen, die ihrerseits am Repomarkt aktiv sind.

Die Geldmengen schrumpfen, weil Geldmarktfonds in der Fed-Geldmenge nicht mitgezählt werden. 2022 konnten Banken durch die steigende Zinsmarge noch Milliardengewinne einfahren, doch bald werden sie ihren Kunden höhere Zinsen zahlen müssen. Immerhin reduziert die Fed ihr Anleihenportfolio. Das weist aufgrund der steigenden Zinsen einen gewaltigen Verlust auf: zu aktuellen Kursen sind von der Fed gehaltene US-Staats- und Hypothekenanleihen 687 bzw. 438 Milliarden Dollar weniger wert als ihr Kaufpreis. Würden sie zu Marktpreisen bewertet, hätte die Fed ein Eigenkapitaldefizit von über einer Billion Dollar. Noch bedenklicher: die Aufwendungen zur Finanzierung der Anleihenkäufe (33,5 Milliarden) sind wegen der Zinserhöhungen höher als die Zinseinnahmen daraus (24,6 Milliarden). In gewisser Weise ist dieser Verlust ein Spiegelbild der steigenden Gewinne des Bankensektors. Eine normale Bank wäre längst insolvent, doch Zentralbanken sind keine normalen Banken.

In der Eurozone herrscht das gleiche Problem, allerdings ist es schwerer zu quantifizieren, weil Marktwert und Kaufpreise des Anleihenportfolios von EZB und nationalen Zentralbanken nicht veröffentlicht werden. Die neueste Zinserhöhung dürfte das Eigenkapitaldefizit noch einmal drastisch verschärft haben. Die US-Staatsverschuldung liegt bei etwa 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Allein die fälligen Zinszahlungen werden Janet Yellen bald ein saftiges Defizit verursachen. Denn Joe Bidens Haushalt plant für dieses Jahr Zinszahlungen ein, die einem Zinssatz von nur 0,75 Prozent entsprechen. Doch das wird von Washingtons Schoßhündchenpresse nicht weiter hinterfragt. Es steht zu befürchten, daß künftige US-Defizite wieder von der Fed finanziert werden müssen. Hoenig lag mit seinen Befürchtungen gegen die lockere Geldpolitik eben doch richtig.