Fallende Umfragewerte, gestotterte Interviews und die schwierige Frage, in welches Gefängnis ein Vergewaltiger gehört, der sich als Transfrau bezeichnet: Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hatte vermutlich nicht erwartet, daß ihre vor sechs Wochen beschlossene Gender-Reform sie in eine solche Bredouille bringen würde. Laut dem Gesetz sollen Menschen ab 16 Jahren ganz einfach durch Selbstdeklaration ihren Geschlechtseintrag ändern können: Das schottische Gesetz ähnelt den Plänen der deutschen Ampel-Koalition mit ihrem „Selbstbestimmungsgesetz“ für Transgender.
Wohin das führen kann, hat Adam Graham gezeigt, der sich jetzt Isla Bryson nennt und als Transfrau bezeichnet. Der muskulöse 31jährige mit einer auffälligen Gesichtstätowierung wurde im Januar vom Glasgower Hohen Gericht wegen Vergewaltigung verurteilt. Bryson habe „mit ihrem Penis“ zwei Frauen gegen deren Willen penetriert, urteilte der Richter. Vor Gericht erschien Graham/Bryson in einer rosafarbenen Jacke, mit langer blonder Perücke, mit Leggins und lackierten spitzen Fingernägeln und präsentierte sich als Transfrau.
Fast zwei Drittel der Schotten lehnen die Gender-Reform ab
Nach dem Schuldspruch wurde er zunächst in die Frauenhaftanstalt Cornton Vale westlich von Edinburgh gesteckt. Das führte aber zu einem öffentlichen Aufschrei. Ministerpräsidentin Sturgeon machte eiligst eine Kehrtwende. Der Vergewaltiger Graham/Bryson soll nun doch nicht in ein Frauengefängnis, obwohl eine „Transfrau“ nach dem Gender-Dogma als Frau behandelt werden müßte. Der offenkundige Widerspruch hat Sturgeon in Befragungen ins Stottern gebracht.
Britische und schottische Medien schreiben nun, daß das Gender-Gesetz für die Ministerpräsidentin zu einem Desaster werde, das sie massiv Popularität kostet. Fast zwei Drittel der Schotten lehnen das „Gender Recognition Reform“-Gesetz ab. Der Umfragewert von Sturgeons linksgerichteter Scottish National Party (SNP) ist um sechs Prozentpunkte gesunken. Sie ist zwar noch immer deutlich stärkste Partei, aber geschwächt. In einer neuen YouGov-Umfrage wird die zuvor sehr beliebte SNP-Chefin Sturgeon erstmals von einer Mehrheit negativ beurteilt. Kritiker wie die Schriftstellerin J.K. Rowling hatten prophezeit, das Transgender-Gesetz werde massiv schaden.
Auch der Konflikt mit der Londoner Regierung, die das schottische Gender-Gesetz mit der Begründung blockiert, das Edinburgher Regionalparlament habe seine Kompetenzen überschritten, nützt Sturgeon nicht. Im Gegenteil: Erstmals seit längerem ist die Zustimmung zur schottischen Unabhängigkeit deutlich gefallen. Nur eine Minderheit will diese jetzt. „Die Entscheidung der britischen Regierung zu einem Veto für das Gender-Gesetz hat kein schottisches nationalistisches Feuer angefacht“, erklärt Politikprofessor John Curtice. Stattdessen sei die Zustimmung zum SNP auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren gefallen. Auch in der Partei fragen nun einige, warum die Ministerpräsidentin sich so für das vermeintlich progressive Transgender-Thema verkämpft, das die Wähler mit Unverständnis sehen.