© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 07/23 / 10. Februar 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Bundes-Gezwitscher
Paul Rosen

Öffentlichkeitsarbeit in früheren Zeiten bedeutete das Versenden von Pressemitteilungen und Abhalten von Pressekonferenzen. Heute heißt Öffentlichkeitsarbeit Dauerpräsenz besonders in den sogenannten sozialen Medien. Der Deutsche Bundestag darf da nicht fehlen. Neben seinen Pressemitteilungen verbreitet das Parlament Nachrichten über den Kurznachrichtendienst Twitter, wo über Sitzungen und Anhörungen sowie über Anträge, Gesetzentwürfe und andere Parlamentsinitiativen informiert wird. 

Wenn die Nachrichtenlage zu dünn ist und außer Beschwerden über die nachlassende Postzustellung in Deutschland nur noch wenig zu melden ist, twittert der Bundestag auch mal über das Wetter und präsentiert ein Foto des verschneiten Berlin, aufgenommen vom Dach eines Gebäudes. Auf Facebook und Instagram ist der Bundestag nicht beziehungsweise noch nicht zu finden, aber auf Instagram gibt es inzwischen einen Kanal von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), wo sie von der Verwaltung Bilder und Texte aus ihrer täglichen Arbeit hochladen läßt.

Die Kanäle in den sozialen Medien sind aus der Politik nicht mehr wegzudenken. Auf eine AfD-Anfrage hatte die Bundesregierung mitgeteilt, daß von den Ministerien 415 sogenannte Accounts in den entsprechenden Netzwerken betrieben werden. Allein das Bundesinnenministerium hat 134 solcher Konten, das Bundesverteidigungsministerium 50 und das Bundesgesundheitsministerium 35. 

Dabei geht es nicht allein um Politikdarstellung, sondern zum Beispiel beim Verteidigungsministerium auch um Nachwuchswerbung für die Bundeswehr. So hofft man auch über „TikTok“ auf die Truppe aufmerksam zu machen. Die Regierung sieht soziale Medien „als zeitgemäße Erweiterung ihrer Öffentlichkeitsarbeit an, mit der sie – wie verfassungsrechtlich geboten – Bürgerinnen und Bürger über die Tätigkeit, Vorhaben und Ziele der Bundesregierung informiert“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage. So erreiche man die Menschen da, wo sie sich aufhielten und von wo sie ihre Informationen bezögen. Die andere Seite der Social-Media-Kanäle sind enorme Kosten vor allem durch einen riesigen Personalaufwand. Allein beim Bundestag sollen die Online-Aktivitäten von etwa einem halben Dutzend Mitarbeitern in einem neu eingerichteten Referat betreut werden. Wichtig ist dabei nicht nur das Erstellen der Beiträge (sogenannte Tweets), sondern auch die Kontrolle von Kommentaren anderer Nutzer auf möglicherweise strafrechtlich relevante Inhalte. Für Juristen eröffnen sich hier ganz neue Betätigungsfelder.

Wie arbeitsintensiv der Social-Media-Bereich ist, zeigt  ein Beispiel aus dem Landwirtschaftsministerium. Dort sind 31 Mitarbeiter für die Betreuung der Kanäle zuständig. Dabei ist das Landwirtschaftsministerium mit insgesamt nur elf Kanälen dieser Art weit weniger aktiv als das Innenministerium mit seinen 134 Accounts. Auch im Ausland twittert es von deutscher Regierungsseite heftig: Alle Botschaften unterhalten eigene Konten.