© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/23 / 03. Februar 2023

Frisch gepreßt

Bundeswehr und Volksarmee. Im Jahr 1989 besaß die Bundeswehr 12 Heeresdivisionen mit mehr als 7.000 Kampf- und Schützenpanzern, 1.000 Kampfflugzeuge, 24 U-Boote; die NationaleVolksarmee verfügte über 2.500 Panzer und 6.000 gepanzerte Fahrzeuge, etwa 300 Kampfflugzeuge und fast 100 Marineschiffe; insgesamt standen fast 700.000 Deutsche unter Waffen. Anders als die Bundeswehr heute, deren knapp 180.000 Soldaten zwar auf modernste Waffentechnik zu Lande, zu Wasser und in der Luft zurückgreifen, als einsatzfähig aber tatsächlich nur über einen Teil ihrer 312 Kampfpanzer Leopard 2, über 34 von 109 Eurofighter und über ganze zwei von sechs U-Booten verfügen können, standen die in ihren jeweiligen Bündnissystemen eine wichtige und hoch geachtete Stütze bildenden Armeen niemals „blank“ da. Wie die Potsdamer Militärhistoriker Jörg Echternkamp und Christoph Nübel dokumentieren, stellte bisher eine umfassende historische Aufarbeitung von „Repräsentation, Organisation und Tradition“ dieser Truppen in ihren höchst unterschiedlichen politischen Systemen ein Desiderat dar. Um dem abzuhelfen, legen sie nun als lesenswerten Grundstein ihren auf Studien der 60. Internationalen Tagung für Militärgeschichte von 2019 fußenden Sammelband vor. (bä)

Jörg Echternkamp, Christoph Nübel (Hrsg.): Deutsche Militärgeschichte in Europa 1945–1990. Repräsentation, Organisation und Tradition von Streitkräften in Demokratie und Diktatur. Ch. Links Verlag, Berlin 2022, gebunden, 482 Seiten, 50 Euro





Dysfunktionale Hauptstadt. Quirin Graf Adelmann ist ein echter Tausendsassa. 1993 zog er von Frankreich zum Jurastudium nach Berlin. Noch als Student gründete er den Fußballverein FC Karlshorst, arbeitete später in leitender Position verschiedener Betriebe bevor er 2010 in die berufliche Selbstständigkeit ging. Dort arbeitet er sowohl wirtschaftlich als auch gemeinnützig in Technik-unternehmen und der Immobilienbranche. Dementsprechend gut kennt Adelmann die Hauptstadt und ihre Verwaltung und zeichnet in seinem Buch ein düsteres Bild seiner Wahlheimat – ohne zynischen Spott, sondern mit ernsthafter Sorge um seine Stadt. Er kritisiert beispielsweise das vom Senat ins Leben gerufene „Tourismuskonzept 2018+“, mit dem versucht wird, Besucher auf alle Bezirke Berlins zu verteilen, um die Innenstadt von den Menschenmengen zu entlasten. Zudem will die Politik gezielt „Qualitätsbesucher“ anziehen, statt Partyvolk. Ein Unding, findet Adelmann. „Gute Nacht, Berlin. Du warst eine Stadt der Freiheit und Entfaltung“, schreibt er dazu. Auch das Hin und Her der Corona-Maßnahmen, die horrende Verschuldung der öffentlichen Kassen und natürlich die Chaos-Wahlen von 2021 unterzieht der Autor einer schonungslosen Analyse. (st)

Quirin Graf Adelmann: Schwach. Langsam. Ideenlos. Herrschaft der Mittelmäßigkeit. Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2022, gebunden, 224 Seiten, 20 Euro