© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/23 / 03. Februar 2023

Verwirrte Köpfe, verwirrte Herzen
Offene Rechnungen: „Wann kommst du meine Wunden küssen“ ist ein etwas konfuser Film über geplatzte Lebensträume und Freundschaften
Claus-M. Wolfschlag

Die keck-burschikose Berlinerin Maria (Bibiana Beglau) schwingt sich auf ihr Motorrad und fährt in den Schwarzwald. Es geht zu dem Hof, auf dem sie mit ihrer dort lebenden krebskranken Schwester Kathi (Katarina Schröter) aufgewachsen ist. Dort angekommen, begegnet sie Laura (Gina Henkel), die mit ihrem Freund Jan nach Jahren des Berliner Künstler- und Nachtlebens in die Natur ausgestiegen ist, um dort als Ökolandwirt neu anzufangen. Die Begrüßung zwischen den Frauen ist eisig. Und langsam treten immer mehr Konflikte und Verwicklungen auf.

„Wann kommst du meine Wunden küssen“ ist mitnichten ein „tragisch-komischer Film“, wie das Presseheft schreibt. Von Komik ist dort keine Spur. Tragisch ist indes, daß die Frauen teils in kindlichen Verhaltensmustern steckengeblieben scheinen.

Es ist schwierig, in diesem Auf und Ab weiblicher Gefühle einen Handlungsfaden zu finden. Im Grunde geht es in dem Film um das permanente Abtasten von momentanen Befindlichkeiten. Die Frage an eine der Figuren, wie es ihr gerade gehe, wird immer wieder gestellt, um dann ehrlich oder gekünstelt beantwortet zu werden. Es ist eine Art Nabelschau von Leuten, die sonst offenbar keine Lebensaufgabe zu haben scheinen.

Und so richtig versteht der Betrachter deshalb auch nicht, was all diese Leute auf dem einsamen Bauernhof im Schwarzwald eigentlich wollen. Mal lachen sie, mal schmollen sie, mal schreien sie. Letzteres ist ohnehin ein beliebtes Stilmittel deutscher Regisseure, um Spannung in eine ansonsten träge Handlung zu bringen. Die Deutschen, obwohl eigentlich ein introvertiertes Volk, mutieren in ihren Filmerzeugnissen stets zu hysterischen oder cholerischen Schreihälsen.

Zudem wirken die Figuren nicht ganz glaubwürdig. In Aussehen, Kleidung, Sprech- und Denkweise sind es alles mehr oder minder Personen der hippen urbanen Kreativszene mit erkennbarem Berliner Einschlag. Daß die Frauen einst auf dem Schwarzwaldhof aufgewachsen sein wollen, erscheint unglaubwürdig. Niemand im ganzen Film spricht alemannisches Idiom oder weist auf bäuerlich-ländliche Wurzeln hin. Die Frauen sind von Beruf Regisseurin, Schauspielerin und Therapeutin mit deutlichem Hang zur Esoterik. Jan, der Freund, um den sich Maria und Laura beharken, ist Techno-Musiker und experimentiert den ganzen Tag in seinem Tonstudio herum. Von was diese Leute auf dem Hof eigentlich leben, wird nicht recht deutlich. Ein Wirtschaftsbetrieb ist es keinesfalls. Schon die Mutter, die dort einst ihr Leben verbrachte, war Bildhauerin. 

So bleiben denn nur mehrfache Streits, die sich vor allem ums Fremdgehen drehen. Maria hat ihren Berliner Geliebten an dessen Lebenspartnerin verloren. Er wird ein später Vater. Auf dem Hof begegnet sie Jan, der ihr einst von Laura ausgespannt worden ist. Doch das Feuer zwischen Jan und Laura ist erkaltet, und nun betrügt Laura wiederum Jan mit einem ortsnahen Pensionswirt.

Das Drama in den verwirrten Köpfen und Herzen vollzieht sich immerhin in einer beeindruckenden Naturlandschaft, die einzufangen der Regisseurin Hanna Doose gelungen ist. Der Rest bleibt Herzschmerz.


Kinostart ist am 2. Februar 2023