© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/23 / 03. Februar 2023

Filmkritik Mitternachtsparty
Wer hat welches Mordmotiv?
Werner Olles

Der berühmte Autor Jean-François Vérate (Jean Servais) und seine Gattin Solange (Nadia Gray) laden eine Reihe guter Bekannter in ihren unkonventionellen Salon zu einer nächtlichen Party ein. Die ausgelassene und erwartungsfrohe Stimmung wird jedoch von der Ankündigung des Hausherrn getrübt, daß ein gewisser Monsieur Portrant (Paul Meurisse) in Kürze zu der erlauchten Gesellschaft stoßen wird. Tatsächlich erscheint dieser auch wenig später mit seiner reizenden, blutjungen Begleiterin (Thien Huong), einer Asiatin, die den Herrschaften bisher unbekannt war.

Portrant wird von den Anwesenden gefürchtet und von einigen sogar gehaßt, da er dafür bekannt ist, gerne mit unangenehmen Wahrheiten und brisanten Informationen hausieren zu gehen, die schon viele Leute in große Bedrängnis brachten. Auch diesmal hat er vor, ein bisher streng gehütetes Geheimnis zu lüften, das angeblich 50 Millionen Francs wert ist und einen der Gäste in ziemliche Schwierigkeiten bringen könnte. Portrant schlägt vor, ein „Wahrheitsspiel“ zu spielen, das aus Fragen und Antworten besteht, die die beteiligten Spieler in Verlegenheit bringen können. Vor der Enthüllung jedoch fällt Portrant einem Mord zum Opfer, und nun stellt sich die eigentliche Frage: Wer hatte für den Mord das stärkste Motiv?

Robert Hossein inszenierte das Kammerspiel „Mitternachtsparty“ („Le Jeu de la vérité“/„The Game of Truth“, Frankreich 1961) als beeindruckende Mischung aus Mystery-Film, gesellschaftskritischer Komödie, intelligentem Thriller und solidem Krimi. Alles findet in einem großen Salon statt, die fünf Drehbuchautoren, darunter auch Robert Hossein, servieren dem Zuschauer Dialoge voller Zynismus, Sarkasmus, Polemik und Ironie, die es in sich haben. Die Darstellung der sogenannten „besseren Gesellschaft“ ist äußerst gelungen, nicht zuletzt dank solch hervorragender Schauspieler wie Jean Servais, Paul Meurisse, Jean-Louis Trintignant und Georges Rivière, zu denen sich dann auch der Regisseur als Polizei-Inspektor gesellt. Für die nötigen erotischen Komponente sorgen die weiblichen Stars Nadia Gray, Françoise Prévost, Jeanne Valerie, Daliah Lavi und Thien Huong. „Mitternachtsparty“ präsentiert dem Zuschauer eine raffinierte Groteske auf hohem Niveau, die vorzüglich zu unterhalten versteht und ihre Grundspannung bis zum originellen und überraschenden Ende zu halten weiß.

DVD: Mitternachtsparty. Pidax Film-Klassiker 2023, Laufzeit etwa 80 Minuten