© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/23 / 03. Februar 2023

Ein phänomenales Ergebnis
Tschechien: Ex-Nato-General Petr Pavel gewinnt Präsidentschaftswahl / „Ein Staatsoberhaupt, das die europäischen Werte schätzt“
Paul Leonhard

Die Schlammschlacht ist geschlagen, der Kampf Mann gegen Mann beendet. Die Wahlkämpfer auf dem Altstädter Ring bekommen ihren Willen – „Pavel na Hrad“: Petr Pavel wird am 9. März als neuer Staatspräsident Tschechiens vereidigt und dann auf der Prager Burg residieren. Würde, Respekt und Demut hätten mit ihm gesiegt, so der 61jährige, der seine Wahl formal als „unabhängiger Kandidat“, aber faktisch mit Regierungs- sowie internationaler Unterstützung bestritten hat. Mit ihrer Wahl haben die Tschechen signalisiert, daß sie in Kriegszeiten mit ihrem General, der ihnen „Ordnung und Sicherheit“ verspricht, lieber keine Experimente wagen. Ein gewiefter Geschäftsmann, der die Nato- und EU-Solidarität aus nationalen Gründen in Frage stellt, wie der 68jährige Ex-Premier Andrej Babiš, hatte da nur in drei von 14 Wahlkreisen eine Chance.

Pavel schaffte es vom Aufklärungsoffizier zum Generalstabschef und zum Leiter des Nato-Militärausschusses (2015–18). Er gilt als moderat konservativ und westlich orientiert: „Rußland muß in der Ukraine verlieren – auch mit unserer Hilfe!“ 3.359.151 Tschechen (58,32 Prozent) stimmten dem zu –  und das bei einer für das 10,5-Millionen-Einwohner-Land sensationellen Wahlbeteiligung von 70,25 Prozent. Für Babiš stimmten nur 2,4 Millionen Wähler. Pavels Sieg ist eindeutiger als im Kopf-an-Kopf-Rennen der ersten Wahlrunde. Am 14. Januar betrug die Differenz zwischen Pavel und Babiš nur 22.825 Stimmen, jetzt sind es 959.105. Denn vier der fünf gescheiterten Präsidentschaftsbewerber, Danuše Nerudová, Pavel Fischer, Marek Hilšer und Marek Diviš, sowie fast alle großen Medien forderten einhellig zur Wahl Pavels auf.

„Ein kommunistischer Spion, der in Rußland ausgebildet wurde“

Babiš’ Rechnung geht anders. Trotz seiner klaren Niederlage spricht der Oppositionsführer und Ano-Parteichef von einem „phänomenalen Ergebnis“. Er habe schließlich mehr Stimmen bekommen als die regierende Fünferkoalition bei der Parlamentswahl 2021. Damals fielen 20 Prozent der Stimmen wegen der Fünf-Prozent-Klausel „unter den Tisch“, was Premier Petr Fiala eine komfortable Mehrheit bescherte. Letztlich ist aber eingetreten, was erwartbar war: Babiš ist es lediglich gelungen, die Sympathisanten des rechten Präsidentschaftskandidaten Jaroslav Bašta (4,5 Prozent), der von seiner Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD) unterstützt wurde, sowie Anhänger des jetzigen Präsidenten Miloš Zeman (ein „populistischer“ Ex-Sozialdemokrat), der EU-skeptischen Partei Trikolora und der Altkommunisten (KSČM) für sich zu gewinnen. Besonders pikant war, daß sich beide Kandidaten gegenseitig vorwarfen, zu kommunistischen Zeiten für den tschechoslowakischen Staatssicherheitsdienst StB gearbeitet zu haben.

So erklärte Babiš genüßlich, Pavel habe als „kommunistischer Spion, der in Rußland ausgebildet wurde, den Einmarsch der sowjetischen Truppen 1968 begrüßt“ und es als Ex-Parteifunktionär „bis in den Militärausschuß der Nato gebracht“. Im übrigen sei der Ex-Armeegeneral „ein typischer Repräsentant des Totalitarismus“. Ja, Pavel stammt sogar aus einer Militärfamilie und machte sein Abitur auf einer Kadettenschule. Babiš lebte hingegen als Diplomatenkind in Paris und Genf. Ab 1985 arbeitete er für das Handelsministerium in Marokko, da waren Kontakte zum StB unvermeidlich. Pavel dürfte wohl mehr mit dem streng geheimen Militärnachrichtendienst zu tun gehabt haben.

In der 1992 aufgelösten Staatspartei KSČ waren beide – wie Hunderttausende Tschechen aus Karrieregründen ebenfalls. Zeman argumentierte mit der mangelnden politischen Erfahrung des Babiš-Gegners: „Petr Pavel ist ein Armee-Experte. Meiner Ansicht nach sollte der Staatspräsident jedoch ein Fachmann für Themen sein, die den Menschen sozusagen auf den Nägeln brennen. Und das sind im Grunde sozioökonomische Themen.“ Doch all das zog nicht – Premier Fiala hat bald seinen Wunschkandidaten. Aber nicht nur das: Die „First Lady“ Eva Pavlová war ebenfalls KSČ-Mitglied, kam über den Schießsport an die Luftwaffenhochschule Kaschau (Košice) und so zum Militär. Sie hat es dort bis zum Oberstleutnant der Reserve gebracht. Die 58jährige kündigte nun an, sich unter anderem für Frauenthemen und die Belange von Alleinerziehenden einsetzen zu wollen.

Babiš gilt als Vertrauter von Ungarns Premier Viktor Orbán. Beide wären wohl zu Kompromissen mit Moskau bereit gewesen. Auch das könnte die Wahlniederlage von Babiš mit erklären. Pavel kündigte hingegen einen baldigen Besuch in der Ukraine an, und zwar gemeinsam mit seiner grünliberalen slowakischen Amtskollegin Zuzana Čaputová, die eigens aus Preßburg angereist war, um auf der Prager Wahlparty dabeizusein. Die frühere NGO-Anwältin zeigte sich erfreut, „das es in unserer Region ein Staatsoberhaupt geben wird, daß die europäischen Werte schätzt“. Gemeint sind natürlich die Werte der EU, nicht die der Visegrád-Staaten.