Jamaika war gestern. Das Bündnis der Zukunft könnte die schwarz-blau-gelbe „Bahamas-Koalition“ aus Union, AfD und FDP werden. Schon im Wahljahr 2024 sei es möglich, verkündete die Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD Alice Weidel kürzlich in einem dpa-Interview. Bei den dann anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen wolle die Alternative für Deutschland strategisch „die erste Regierungsverantwortung in einem ostdeutschen Bundesland anvisieren“.
Tatsächlich lag die Partei in allen drei Ländern zuletzt in den Umfragen als stärkste Partei vorne und könnte zusammen mit CDU und FDP „Mitte-Rechts“-Mehrheiten bilden (siehe Deutschlandkarte). In Sachsen, wo CDU und AfD jetzt schon zusammen zwei Drittel der Landtagssitze halten, könnte die Alternative die regierende CDU sogar überholen.
Mit der Ächtung der AfD bleibt die Union Geisel von SPD und Grünen
In einigen Landtagen wären auch in der jetzigen Zusammensetzung schon nichtlinke Mehrheiten unter Einbeziehung der AfD möglich: Außer Sachsen und Sachsen-Anhalt auch in Thüringen, wenn einige der ausgetretenen AfD-Abgeordneten mitzögen. Dieselbe Option bestünde rechnerisch auch in Hessen sowie in Rheinland-Pfalz, wenn sich dort die Freien Wähler beteiligten.
Selbst in Bayern, wo im Herbst die Karten neu gemischt werden, wäre Hellblau-Blau-Gelb theoretisch eine Alternative zum Zweiparteienbündnis aus CSU und Freien Wählern. In Baden-Württemberg, wo die CDU als Kellner der Grünen mitregiert, besteht im Landtag ein Patt zwischen Grün-Rot und den „Bahamas“-Parteien. Umfragen sehen auch hier eine wachsende Mehrheit „Mitte-Rechts“.
Im Bundestag kratzen Union, FDP und AfD ebenfalls an der Marke zur rechnerischen Mehrheit; dazu fehlten gerade mal zwei der inzwischen sechs fraktionslosen Abgeordneten, von denen die meisten AfD-Mitglieder sind oder waren. Wäre die von der „Ampel“ geplante Wahlrechtsreform schon vor der Bundestagswahl 2021 in Kraft gewesen, hätten die drei Fraktionen mit 301 von 598 Sitzen bereits jetzt eine knappe Mehrheit, die nach den jüngsten Umfragen bei der nächsten Bundestagswahl 2025 sogar noch deutlicher ausfallen würde (siehe die Parlaments-Grafik).
Mehrheiten ohne Grün-Rot-Links sind also vielfach möglich und werden wahrscheinlicher. Zählt man sämtliche Abgeordnete aller sechzehn Landesparlamente zusammen, gehört ebenfalls mehr als die Hälfte von insgesamt 1.885 Mandatsträgern Union, AfD, FDP, Freien Wählern oder anderen nichtlinken Parteien an.
Daß der darin zum Ausdruck kommende Wählerwille sich bislang nicht in konkreten Machtoptionen niederschlägt, hat eine Reihe von Gründen. Der wirkmächtigste ist das von den etablierten Parteien errichtete Dogma, die AfD sei eine „extremistische“ Partei, die nach Kräften zu bekämpfen und auszugrenzen sei und mit der keine der sich als allein „demokratisch“ definierenden Parteien zusammenarbeiten oder auch nur reden dürfe.
Die kollektive Diffamierung durch etablierte Konkurrenz, Medienmacht, linke „Zivilgesellschaft“ und parteipolitisch vereinnahmte Institutionen wie den „Verfassungsschutz“ hat die AfD zwar nicht aus dem Parteiensystem verdrängen können, verhindert aber bislang, daß sie bundesweit die Zwanzig-Prozent-Marke überschreitet und zu einem Faktor wird, an dem nicht vorbeiregiert werden kann.
Der Hauptzweck dieser willkürlichen Setzung ist machtpolitisch: Das AfD-Tabu sichert der politischen Linken unverhältnismäßigen Einfluß und den Zugriff auf Regierungsämter. Solange es hält, haben Union und FDP faktisch keine Machtoption ohne Grüne und SPD.
In einigen Landesparlamenten kam es trotzdem zur Zusammenarbeit
Freilich macht es auch die AfD den anderen „bürgerlichen“ Parteien bisweilen leicht, diesen widerstandsärmeren Weg nicht zu verlassen. Eine stets mit Kompromissen verbundene Regierungsbeteiligung ist auch in den eigenen Reihen nicht unumstritten; Undiszipliniertheit, Dissonanzen und häufige Austritte nähren Zweifel an der Regierungsfähigkeit.
Hinzu kommen fundamentalistische Positionierungen vor allem in außenpolitischen Fragen und nicht immer eindeutige Trennlinien zu radikalen Bestrebungen. Der vorauseilende kategorische Ausschluß einer Mitte-Rechts-Regierung auch für die Zukunft und die Verbannung aller Abweichler ist für Union und FDP eine strategische Selbstfesselung, die sie zwingt, immer weiter nach links zu rücken und sich so großen Teilen der bisherigen eigenen Wählerschaft zu entfremden.
Das Rütteln an den Gitterstäben der „antifaschistischen“ Gefangenschaft wird vor allem im Osten lauter, wo die Ausgrenzung der AfD zunehmend zu wackeligen und heterogenen Vielparteienkoalitionen führt. Vor drei Jahren war die Wahl des Thüringer FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten mit den Stimmen von CDU und AfD ein Testballon für die Ablösung einer linken Regierung durch eine CDU-FDP-Minderheitenregierung unter Duldung der AfD. Die Annullierung dieser Wahl durch ein Machtwort der Kanzlerin und ein Scherbengericht der Parteizentralen hat die Legitimation der parlamentarischen Demokratie schwer erschüttert.
Das war nicht der einzige Versuch, das AfD-Tabu auf Länderebene im Osten zu durchbrechen. Ende 2020 war die oppositionelle CDU in Thüringen bereit, mit der AfD gegen die Erhöhung des Rundfunkzwangsbeitrags zu stimmen. Im Erfurter Landtag wurde im November 2022 die nichtlinke Mehrheit gegen die linksgeführte Landesregierung aktiviert, als AfD und „Bürger für Thüringen“ einem CDU-Antrag gegen Gender-Sprache in Behörden zum Erfolg verhalfen. Einen von der AfD eingebrachten wortgleichen Antrag im Landtag von Sachsen-Anhalt will die regierende CDU dort allerdings nicht mittragen.
Die Brandmauer könnte 2024 im Osten fallen
Gerade in der Opposition wird es für die CDU schwieriger, die Aufrechterhaltung ihrer „Brandmauer“ schlüssig zu begründen. Das Wahljahr 2024 wird daher eine Zeit der Entscheidung in AfD und Union. Das Beispiel Italien sollte letzterer warnend vor Augen stehen. Dort regiert jetzt ein stabiles Bündnis dreier neuer und mehrfach gewandelter Mitte-Rechts-Parteien, in dem das längst zerfallene CDU-Pendant Democrazia Cristiana keine Rolle spielt.
Insa-Umfrage ermittelt die bei Mitte-Rechts-Wählern beliebtesten Politiker
In Deutschland ist „Rechts“ umstritten, dient vornehmlich als Kampfbegriff. Doch ist es nackte Realität, daß in den Parlamenten Abgeordnete links, in der Mitte und rechts sitzen und sich danach die politischen Grundströmungen benennen. Die JF stellt anläßlich des 10. Gründungstages der Alternative für Deutschland (AfD) ein Gedankenspiel an: Was wäre, wenn das Spektrum „Mitte-Rechts“ politisch wirksam würde? Die Wähler der CDU/CSU, der AfD und der FDP verorten sich überwiegend in der Mitte und rechts. Zusammen mit der geschmähten AfD kämen Union und FDP laut aktueller Umfrage (30. Januar) des Meinungsforschungsinstituts Insa auf einen Anteil von 55,1 Prozent der Bundestagssitze – und könnten regieren!
Wer sind die beliebtesten Politiker des Spektrums „Mitte-Rechts“? Exklusiv befragte Insa für die JF bis zum 23. Januar 4.015 Bürger. Sie sollten die zwölf bekanntesten Politiker des „Mitte-Rechts“-Spektrums bewerten. Darunter neben Politikern von Union, FDP und AfD auch zwei Querköpfe von links: Sahra Wagenknecht (Linke) und Boris Palmer (Grüne). Gefragt wurde: „Wie bewerten Sie die folgenden Politiker auf einer Skala von 0 (= sehr schlecht) bis 10 (= sehr gut)?“ Die Ergebnisse der Beliebtheits-Umfrage unter den Wählern des „Mitte-Rechts“-Spektrums wird die JF ab sofort monatlich von Insa ermitteln lassen und veröffentlichen.
Sahra Wagenknecht unter AfD-Wählern besonders beliebt: Die Einzelauswertung der AfD-Sympathisanten birgt einige Überraschungen. Welche Reihenfolge nehmen Alice Weidel, Tino Chrupalla und Björn Höcke ein – und auf welchem Platz landet Wagenknecht?
Lesen Sie die ausführlichere Auswertung der Insa-Umfrage auf unserer Internetseite.