Mit nur einem Begriff schaffte es vor 20 Jahren ein Bundestagsabgeordneter, sämtliche Schlagzeilen zu bestimmen und aus der CDU ausgeschlossen zu werden: Martin Hohmann aus Neuhof bei Fulda. Mit ihm vollendet an diesem Sonnabend einer der bemerkenswertesten konservativen Politiker sein 75. Lebensjahr.
3. Oktober 2003: Bei einer Rede in seinem Wahlkreis Fuldaer Land am Nationalfeiertag erwähnt der Jurist, daß während der bolschewistischen Revolution von 1917 – bei der Zehntausende Christen umgebracht wurden – in führenden Positionen auch gottlos gewordene Juden tätig gewesen seien (was historisch unbestritten ist). Trotzdem dürfe man von Juden nicht als „Tätervolk“ sprechen – ebenso aber auch nicht allgemein von den Deutschen als Tätern im Dritten Reich.
Wider besseres Wissen beginnen die „Tagesthemen“ daraufhin eine Desinformationskampagne mit dem verfälschenden Zitat: „Hohmann nennt Juden ‘Tätervolk’“. Für den Stern ist er gleich danach ein „lupenreiner Goebbels“. Die FAZ hebt die Ansicht eines EKD-Bischofs auf den Titel, Hohmanns Rede sei „Antisemitismus schlimmster Sorte“. Die evangelische Kirche verlangt dann als erste auch den Rauswurf des Katholiken Hohmann aus dem Bundestag. Selbst die katholische Kirche stimmt in den Chor der Kritiker ein. Dabei hat sich kein anderes Mitglied im Bundestag so intensiv für christliche Belange eingesetzt. So engagiert er sich vehement für das Lebensrecht ungeborener Kinder wie für verfolgte Christen in islamischen und kommunistischen Staaten. Als einziger wendet er sich gegen eine zunehmende „christlich-muslimische Verbrüderung“ (wie er sie nennt): „Allah und der Vater Jesu Christi sind nicht identisch.“
Besonders bei Hohmann wirkt der Vorwurf des Antisemitismus geradezu perfide. Bevor er 1998 in den Bundestag als Wahlkreisnachfolger von Alfred Dregger kommt, hat er als Bürgermeister von Neuhof den jüdischen Friedhof wiederhergestellt. Als es 2002 um den Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland geht, zitiert er im Reichstag Gottes Wort zu Abraham: „Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen.“ Diese große Judenfreundlichkeit hindert den Zentralrat nicht, ein Verfahren wegen Volksverhetzung anzustrengen. Die Staatsanwaltschaft lehnt dies mit der Begründung ab, Hohmann habe kein geltendes Recht verletzt.
Doch der Dachverband genauso wie die Springer-Presse lassen nicht locker. Hohmann: „Friede Springer rief bei Angela Merkel an und drohte, wenn Hohmann nicht rausfliege, werde die Kampagne in Welt und Bild wochenlang laufen.“ Die CDU-Chefin knickt ein, obwohl sich Hohmann vor der Fraktion für mißverständliche Passagen in seiner Rede mehrfach entschuldigt hat. Am 4. November 2003 wird er aus der Bundestagsfraktion ausgeschlossen. Mehrere Abgeordnete, die Hohmann als seriösen Kollegen schätzen, verlassen weinend den Fraktionssaal. Für das Mitglied des CDU/CSU-Fraktionsvorstands, Veronika Bellmann, ist der Ausschluß eine der Ursachen für damalige Verluste der CDU bei Wahlen gewesen.
Erst ein Jahr nach seiner Rede bekommt Hohmann gegenüber zahlreichen Medien (WDR, Spiegel-Online und anderen) juristisch Recht. Die Bild muß ein Bußgeld zahlen. Inzwischen steht fest, daß nicht seine Rede, sondern verfälschende Zitate seinerzeit den Skandal ausgelöst haben. Doch außer der JUNGEN FREIHEIT gibt es kaum eine andere Zeitung, die Hohmanns Rehabilitation erwähnt, nachdem sie ihn vorher schon stets verteidigt hat.
In der CDU aber erhält er trotz einiger prominenter Unterstützer keine zweite Chance – im Gegensatz zum Moderator Michel Friedman nach seiner Kokain- und Prostituiertenaffäre im gleichen Jahr, in dem Hohmann seine umstrittene Rede hielt. Laut Umfragen ist fast jeder zweite Deutsche gegen seinen Ausschluß aus der Fraktion gewesen. Ende 2004 muß er sogar seine Partei verlassen.
Dabei gehört Hohmann zu den erfolgreichsten Bundestagsabgeordneten. Bei der Wahl 2002 holt er mit 54 Prozent das viertbeste CDU-Ergebnis überhaupt. Weil er für seine politischen Ziele weiter kämpfen will, tritt er schließlich 2016 der AfD bei und holt für sie bei der Bundestagswahl 2017 mit seinem Motto „Für Gott, Familie und das Vaterland“ das beste Ergebnis in Hessen. Da 2021 die AfD insgesamt schlechter abschneidet, schafft es Hohmann auf Platz 6 dieses Mal nicht. Er will sich aber weiterhin für seine Partei engagieren.
In all den schwierigen Jahren hat der bekennende Christ nie verzagt: „Beim Jüngsten Gericht werde ich einst von Gott gefragt: ‘Was hast du als Politiker getan?’ Dann muß ich wenigstens sagen können, daß ich die Dinge beim Namen genannt habe.“
Helmut Matthies ist Theologe und Publizist. Er war langjähriger Leiter der Evangelischen Nachrichtenagentur idea in Wetzlar.