© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/23 / 27. Januar 2023

Steuermilliarden kühn versenkt
Olaf Scholz und seine dubiose Rolle im „Cum-ex-Skandal“
Martin Krüger

Die Autoren Oliver Schröm und Oliver Hollenstein haben mit „Die Akte Scholz“ ein ganz besonders spannendes Buch geschrieben. Schwungvolle 392 Seiten erwarten den Leser. Leicht lesbar und kurzweilig. Denn die zum Teil sehr kurzen Abschnitte werden immer in Tagebuchform mit dem jeweiligen Tag und Datum des Geschehens sowie einem Kurztitel angekündigt.

Im steten Wechsel werden um das Hauptthema „Cum-ex-Geschäfte” die damit verbundenen Behördenvorgänge und Abläufe auf höchster politischer Ebene einschließlich der Strippenzieher im Hintergrund und der Untersuchungsausschuß beschrieben. Das Ganze flankiert von Beiträgen zum Hamburger G20-Desaster, der gescheiterten Kandidatur von Olaf Scholz als SPD-Vorsitzender und dessen späterer erfolgreicher Kanzlerkandidatur. Auch die sich anschließenden Koalitionsverhandlungen sind ein Thema. Die Autoren bestätigen dabei ihre Thesen mit einem Faktencheck.

Natürlich steht das Hamburger Privatbankhaus M.M. Warburg absolut im Zentrum des Geschehens. Und dort insbesondere der einstige Miteigentümer Christian Olearius. Die inzwischen höchstrichterlich vom Bundesgerichtshof, Bundesfinanzhof und sogar Verfassungsgericht als illegal und strafbar eingestuften Bankgeschäfte haben den Steuerzahler etwa fünf Milliarden Euro gekostet. So soll allein die renommierte Hamburger Privatbank zwischen den Jahren 2006 und 2011 bis zu 170 Millionen Euro an Steuern zu Unrecht durch Cum-ex-Geschäfte zurückbekommen haben. 

Dabei handelte es sich um eine komplizierte Struktur von Aktiengeschäften um den Ausschüttungstermin der Dividende herum. Das Ergebnis des buchhalterischen Verwirrspiels war die doppelte Erstattung der in Wirklichkeit nur einmal gezahlten Quellensteuer. Die Autoren machen auch deutlich, daß die Stadt Hamburg dabei bestens über die Geschäfte der Bank informiert war. Das Hin und Her zwischen operativem Finanzamt und politischer Finanzbehörde, ob nun zurückgefordert wird oder nicht, verschafft tiefe Einblicke in die damaligen Abläufe. Dazu zählen Chatverläufe sowie gelöschte E-Mails und Kalendereinträge. Spannend zu lesen, wie im Hintergrund Vorbereitungen für persönliche Gespräche zwischen Bank und Bürgermeister, aber auch den hanseatischen Strippenziehern aus der SPD, Johannes Kahrs und Ex-Innensenator Alfons Pawelczyk, abliefen. Das Buch dürfte vermutlich ein ziemlich gutes Bild von Persönlichkeitszügen der Hauptakteure Olaf Scholz und Christian Olearius zeichnen. Gegen letzteren hat die Staatsanwaltschaft Köln immerhin Anklage erhoben, am Kanzler perlt momentan noch alles ab.

Oliver Schröm, Oliver Hollenstein: Die Akte Scholz. Der Kanzler, das Geld und die Macht. Ch. Links Verlag, Berlin 2022, broschiert, 392 Seiten, 18 Euro