© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/23 / 27. Januar 2023

Blick in die Medien
Russen im Fadenkreuz
Gil Barkei

Wer die Aufnahmen aus dem Ukraine-Krieg sieht, die Uniformen, die Sprachfetzen zwischen zerschossenen Gebäuden, die Waffensysteme und unterschiedlichen AK-Modelle, der muß zwangsläufig auch an Videospiele wie „Call of Duty“ denken. Denn schon lange vor dem politischen Westen hat der Ego-Shooter-Blockbuster die Russen als Feindbild ausgerufen, und das von altbekannten Szenarien im Kalten Krieg über fiktionale Konflikte in der Gegenwart bis hin zu den Kriegen der Zukunft. Eine ganze Generation von Gamern ist es gewohnt, den schrecklichen Iwan ins Leuchtpunktvisier einer modernen Kalaschnikow zu nehmen.

Um nicht Putins Rußland zu nennen, müssen abtrünnige Generäle und Nationalisten ausgedacht werden.

So mancher Titel aus den vergangenen 15 Jahren wirkt demnach fast prophetisch, was den Krieg in der Ukraine angeht. Putins Rußland erscheint dabei nie als Gegner. Immer mußten ausgedachte abtrünnige russische Nationalisten oder Militärs dafür herhalten, nicht gleich ein gesamtes Land und ihre reale politische Führung als Bösewichte zu nennen – auch Computerspieleproduzenten sind auf Diplomatie und offene Absatzmärkte bedacht. In „Call of Duty 4: Modern Warfare“ von 2007 beispielsweise muß der Spieler den russischen Ultranationalisten Imran Zakhaev aufhalten, der islamistische Terroristen unterstützt. 

In der Fortsetzung „Modern Warfare 2“ (2009) kämpft man unter anderem als US Navy Seal oder US Ranger gegen den erstarkten Zakhaev-Nachfolger Vladimir Makarov, der die Vereinigten Staaten und Rußland mit Anschlägen gegeneinander ausspielt und in einen bewaffneten Konflikt drängt, in dessen Zuge die Russen die US-Ostküste invasieren. 

In „Modern Warfare 3“ aus dem Jahr 2011 werden neben New York auch gleich noch London, Paris, Prag und Hamburg zu Kriegsschauplätzen. 2019 in einer Neuauflage der „Modern Warfare“-Reihe gibt es Nahost-Schlachtszenen, die an den syrischen Bürgerkrieg erinnern, in dem auch russische und angloamerikanische Einheiten aktiv sind. Russische Gegenüber geraten auch im aktuellen „Modern Warfare II“ ins Fadenkreuz, weil sich der verselbständigende General Barkov, der mit seinen Truppen das fiktive Land Urzikstan (Aha!) besetzt hält, Giftgas auf den Schwarzmarkt bringen will. Wie hieß es früher in der Propaganda: „Jeder Schuß ein Ruß!“