Wieso? Haben Sie vielleicht Angst, ich schneide mich und besudele alles hier mit meinem Blut?“ Das ist die Reaktion, die sich der freundliche Verkäufer von Busy Beaver einhandelt, als er den Titelhelden zu fragen wagt, ob er ihm vielleicht helfen könne. Leicht macht er es seinen Mitmenschen nicht gerade, der Mann namens Otto im gleichnamigen Film, der in der Buchvorlage von Fredrik Backman und der Filmvorlage des schwedischen Regisseurs Hannes Holm aus dem Jahr 2015 noch Ove hieß. Beide waren Millionenerfolge. Das schrie nach einer US-Version.
Die Hilfe, die Otto so schroff ablehnt, bezieht sich auf das Abschneiden eines etwa fünf Meter langen Seils in dem Pittsburgher Baumarkt. Dieses Seil soll Otto als Strick dienen. Nachdem seine geliebte Frau Sonya vor einem halben Jahr mit nur 62 Jahren ihrem Krebsleiden erlag und er auch in seiner Firma nicht mehr gebraucht wird, hat der Lebensmut den kinderlosen Mann verlassen. Er hat bereits Strom und Gas abgemeldet – alles muß seine Ordnung haben –, und der Strick ist wie erwähnt auch bereits gekauft; also kann der Grantler das irdische Jammertal eigentlich verlassen.
Als die mit ihren beiden kleinen Töchtern neu zugezogenen Nachbarn Marisol (Mariana Treviño) und Tommy (Manuel Garcia-Rulfo) kurz seine Hilfe beim Einparken benötigen und sich dafür mit selbstgekochten mexikanischen Köstlichkeiten bedanken, sieht das zunächst nur nach einer kurzen Verzögerung des unvermeidlich Feststehenden aus. Doch dann läuft dem Miesepeter eine räudige Katze zu, die er nicht mehr los wird, er lernt den transsexuellen Malcolm kennen, einen ehemaligen Schüler seiner verstorbenen Frau, und die Migrantenfamilie von gegenüber bedarf der Hilfe des gelernten Ingenieurs einfach immer wieder. Das durchkreuzt all seine Freitodpläne. Als Tommy vom Dach fällt und im Krankenhaus landet, erweist der Griesgram sich sogar als recht passabler Kinderbetreuer. Sein unter rauher Schale zum Vorschein kommendes Herz ist einfach zu groß!
Zeitgeistkonform inszeniertes Amerika voller Kino-Klischees
Tom Hanks wandelt in der Rolle des miserabel gelaunten Witwers auf den Spuren von Jack Nicholson. Der drohte in „About Schmidt“ (2002) ebenfalls von Einsamkeit und Defätismus übermannt zu werden und machte deswegen eine Reise durch Amerika. In „Ein Mann namens Otto“ kommt Amerika zu ihm, dem schwermütigen Helden. Es ist ein sehr zeitgeistkonform inszeniertes Amerika, transnational und transidentitär. Der Quoten-Homosexuelle ist inzwischen seinem „hipperen“ Transen-Pendant gewichen, die Familie erweitert zur humanitären Sozial- und Solidargemeinschaft. Und natürlich findet das geschulte Auge auch diesmal das im Film versteckte Regenbogen-Symbol. Es ist längst das Erkennungssignal des New New Hollywood geworden, der linksliberalen kalifornischen Filmindustrie des 21. Jahrhunderts.
Der gebürtige Ulmer Marc Forster („Drachenläufer“, 2007; „Ein Quantum Trost“, 2008) gibt sich Mühe, nicht aus dem Rahmen zu fallen und allen „Framing“-Erfordernissen zu genügen. Forster hat seinen Film weniger spröde inszeniert als Hannes Holm dessen europäisches Vorbild. Die Musik von Thomas Newman, dem Spezialisten für sentimentale Klänge schlechthin, und ein Gesangsstück von Kate Bush versetzen den Zuschauer in die nötige Stimmung, wenn die Bilder allein es nicht schaffen. Doch das ist selten der Fall. Vor allem die Rückblenden, die in kurzen, repräsentativen Episoden die Ehe von Sonya und Otto Anderson Revue passieren lassen, geben dem Film die nötige emotionale Tiefe. Im Original von 2015 war das sogar die Hauptgeschichte. Auch deshalb tut sich Tom Hanks, im Gegensatz zu Rolf Lassgård, dem „Ove“-Darsteller von 2015, schwer damit, die Niedergeschlagenheit des Titelhelden vollkommen plausibel erscheinen zu lassen, zumal selbst der Winter unter Marc Forsters Regie in hellen Farben leuchtet. Noch heller strahlen lediglich die Kino-Klischees. Aber vor denen haben große Hollywood-Studios noch nie Angst gehabt.
Kinostart ist am 2. Februar 2023