Zu den größten Attraktionen im British Museum in London gehören die Elgin Marbles, jene prächtigen Marmorskulpturen vom Fries des Parthenons, der einst die Athener Akropolis zierte. Muskulöse Zentauren kämpfen mit Lapithen, eng gestaffelt reitet die griechische Kavallerie auf Reliefs. Lord Elgin, der britische Botschafter beim Osmanischen Reich, ließ die antiken Marmorwerke kurz nach 1800 vom Athene-Tempel abmontieren – mit Genehmigung der Athener Statthalter der Osmanen – und nach Großbritannien bringen, wo das Museum sie 1816 kaufte. Aber die Griechen bestreiten, daß die Besatzungsmacht die Genehmigung geben durfte. Seit rund vier Jahrzehnten fordert Athen die „Raubkunst“ zurück. London argumentiert, daß es die Elgin Marbles damals rechtmäßig erworben habe, sie erhalte und in einem renommierten Museum der Weltöffentlichkeit zeige.
Inzwischen jedoch werden intensive Geheimverhandlungen zwischen der griechischen Regierung und dem British Museum geführt, geleitet von Ex-Finanzminister George Osborne. Wie die Zeitung Ta Nea im Dezember meldete, suchen sie eine Lösung in dem Dauerstreit. Verhandelt werde darüber, wie viele Marmorstücke wie lange nach Athen zurückgebracht würden. Premierminister Kyriakos Mitsotakis möchte den Großteil des Frieses für mindestens zwanzig Jahre im Athener Akropolismuseum ausstellen, im Gegenzug will er andere Antiken nach London ausleihen.
Die britische Kulturministerin verweigert eine Rückgabe
Doch die britische Kulturministerin Michelle Donelan hat zu den Spekulationen über eine Rückgabe der Elgin Marbles ein klares Nein gesagt. Die Skulpturen „gehören zum Vereinigten Königreich“, betonte Donelan in einem BBC-Interview. Die Elgin Marbles nach Griechenland zu schicken würde nur Schwierigkeiten bereiten (wörtlich: „eine Büchse voller Würmer öffnen“) und führe auf eine gefährliche Bahn. Sie weiß, wovon sie spricht.
Erst kürzlich haben die Universitäten Oxford und Cambridge, danach Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock die Restitutionsdebatte durch die Rückgabe mehrere Benin-Bronzen nach Nigeria angeheizt; auch das British Museum besitzt solche Bronzen. Zudem fordern einige Archäologen, den Stein von Rosetta an Ägypten auszuliefern. Und das kleine indigene Volk von den Osterinseln vor der Küste Chiles will kolossale Steinstatuen zurückhaben. Das British Museum fürchtet, daß ein erheblicher Teil der Schätze, die es seit über zwei Jahrhunderten bewahrt, plötzlich von anderen Ländern und Völkern beansprucht werden könnte, sollte ein radikaler Restitutionsgedanke zur Norm werden. Vermutlich wird man in London einen Kompromiß suchen, einen Dammbruch aber vermeiden wollen.