© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/23 / 27. Januar 2023

Unter Druck gesetzt
Grundgesetz-Kommentar: Der Beck-Verlag beendet die Zusammenarbeit mit Hans-Georg Maaßen
Ulrich Vosgerau

Es war eine Meldung mit Symbolcharakter: Unter dem Eindruck einer medial inszenierten Kampagne hat der Münchner Verlag C.H. Beck, Quasimonopolist im Bereich juristischer Fachveröffentlichungen, sich entschlossen, die Zusammenarbeit mit Hans-Georg Maaßen, dem langjährigen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (2012–2018), zu beenden.

Dieser hatte sich aus der Mitarbeit an einem ebenfalls bei C. H. Beck erscheinenden Kurzkommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht bereits zurückgezogen, was aus wissenschaftlicher Sicht bedauerlich war, da Maaßen als langjähriger leitender Beamter im Bundesinnenministerium insbesondere die laufenden Änderungen im Staatsbürgerschaftsrecht seit der rot-grünen Schröder-Ära wie kaum ein anderer kannte.

Seine Mitarbeit am Grundgesetz-Kommentar von Epping/Hillgruber, wo er seit Jahren für Art. 16 und 16a Grundgesetz (Staatsbürgerschaft und Asylrecht) zuständig ist, hatte er jedoch fortsetzen wollen. Seit seiner Kölner Dissertationsschrift „Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht“ (1997) gilt Maaßen auch für das Asylrecht als ausgewiesener Experte. Die wissenschaftliche Qualität seiner Kommentierung wurde – wie Verlag und Herausgeber unverändert betonen – nie und noch nicht einmal von Maaßens politischen Gegnern jemals in Zweifel gezogen. Nun soll er aber seinen Autorenvertrag mit dem Beck-Verlag von sich aus (und unter Verzicht auf die Einhaltung von Kündigungsfristen) gekündigt haben. So ist es in der Tat. Dennoch hat die Sachlage einen größeren Hintergrund.

Der Grundgesetz-Kommentar von Epping/Hillgruber ist ein neuerer und eher schmaler Kommentar. Eine erhebliche Bedeutung erlangt er jedoch dadurch, daß „Epping/Hillgruber“ eigentlich nur der Name der Papierform des „BeckOK-GG“ ist, des „Beck Online-Kommentars zum Grundgesetz“. Beck Online ist ein vielgenutzter Online-Dienst des Beck-Verlages, über den vor allem Praktiker auf Gerichtsentscheidungen, Fachaufsätze und eben Kommentare zugreifen. 

Protest wegen Maaßens politischen Ansichten

Herausgeber Volker Epping ist in erster Linie als Völkerrechtler ausgewiesen und amtiert bereits seit 2015 als Präsident der Leibniz Universität Hannover. Er gilt als politisch konservativ, ohne damit auffällig zu werden, und steht jedenfalls in Kreisen des wissenschaftlichen Nachwuchses im Ruf einer erfreulichen Toleranz auch gegenüber dem Zeitgeist nicht unbedingt angepaßten Positionen.

Als ausgewiesener Konservativer – zumal in Fragen des Lebensschutzes, aber auch des Einbürgerungsrechts – muß auch Christian Hillgruber gelten, Sohn des Historikers Andreas Hillgruber und an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Lehrstuhlnachfolger des berühmten Staatsrechtlers Josef Isensee. Das Bearbeiterverzeichnis des Kommentars umfaßt das ganze staatsrechtliche Spektrum mit einem gewissen Übergewicht CDU-naher Gelehrter –sofern dies heute überhaupt noch etwas bedeutet.

Nicht zu diesen gehörte aber der notorisch linksdrehende Bochumer Sozialrechtler Stefan Huster, der im August 2022 in der FAZ gegen die weitere Mitwirkung Maaßens protestierte. Der Grund: dessen politische Ansichten und teils regierungskritische Äußerungen. Hieraus entfaltete sich die soundsovielte Medienkampagne gegen Maaßen, aber die beiden Herausgeber gaben nicht nach. Maaßen sei kein Verfassungsfeind, und seine politischen Äußerungen seien Privatsache. Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt: Zum Jahresende 2022 wurde dann nicht Maaßens, sondern Husters Verlagsvertrag auf dessen Wunsch hin aufgelöst. Huster ist übrigens selbst durch außerordentlich scharfe politische Äußerungen und Urteile aufgefallen – zum Beispiel gegen Bürger, die die Corona-Maßnahmen schon früh realistischer beurteilten als die Regierung und die ihr assistierenden Experten.

Die nun erfolgte Beendigung des Vertragsverhältnisses auch mit Maaßen mußte also – trotz der überall grassierenden Cancel Culture – gerade Sachkundige überraschen. Denn noch Anfang dieses Monats war in der FAZ zu lesen, die Schlacht um den Epping/Hillgruber-Kommentar sei geschlagen, Maaßen habe sich behauptet, Huster sei weg. In einem an die übrigen Autoren gerichteten Rundschreiben hatten die Herausgeber Huster vorgeworfen, „den Verlag und die Herausgeber unter ungebührlichen politischen Druck zu setzen und in Mißkredit zu bringen“.

Enges Zusammenwirken zwischen Verlag und Herausgebern

Zur Vertragsauflösung hat der Beck-Verlag Maaßen nun mit der Behauptung veranlaßt, Herausgeber Epping werde in seiner Eigenschaft als Universitätspräsident seitens der niedersächsischen Landesregierung massiv unter Druck gesetzt. Deshalb müsse man sich von Maaßen trennen, eine sofortige Vertragsauflösung sei nunmehr aus Rücksicht auf Epping geboten. Eine Durchsicht der Unterlagen zeigt allerdings, daß ständig von Repressionen der Landesregierung die Rede ist, doch nur einer nicht davon spricht: Epping selbst.

Auf den ersten Blick scheint es also zwei mögliche Szenarien zu geben: Erstens, es ist alles so, wie es der Beck-Verlag gegenüber Maaßen kommuniziert hat, und eine Landesregierung hat die Verdrängung eines juristischen Autors aus einem privaten Fachverlag veranlaßt. Oder, zweitens,  Herausgeber und Verlag haben aufgrund einer heimlichen Absprache Maaßen – der nicht unbedingt jede öffentliche Äußerung mit der gebotenen Vorsicht abwägt, dessen Hilfsbereitschaft und Kameradschaftlichkeit jedoch weithin bekannt sind – ein Lügenmärchen aufgetischt, um ihn umstandslos loszuwerden.

Ein drittes Szenario kann ausgeschlossen werden: nämlich daß der Verlag seine Herausgeber einfach überspielt hat und diese von dem Coup gar nichts wußten. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bestätigte einer der Herausgeber, daß Maaßens Entsetzung in engstem Zusammenwirken zwischen Verlag und Herausgebern ins Werk gesetzt wurde, die aber nun für immer über die Einzelheiten schweigen würden.

Ich habe natürlich Volker Epping nach den Repressionen der Landesregierung gefragt. Er erklärte, es sei zutreffend, daß Maaßen seinen Vertrag mit dem Beck-Verlag aufgelöst habe, und man möge sich mit Fragen an diesen wenden. Auf den Vorhalt, nur er könne bezeugen, ob und wie die Landesregierung Druck auf ihn ausgeübt habe, der Verlag wisse dies allenfalls vom Hörensagen, will er sich nicht mehr äußern.

Der Beck-Verlag geht auf Repressalien gegen Epping ebenfalls mit keiner Silbe ein, sondern schickt der JF eine bereits bekannte Standard-Presseerklärung: „Wir distanzieren uns von allen extremen politischen Äußerungen von Autoren, die die Grenzen des verfassungsrechtlich Vertretbaren austesten.“ Und: „Wir haben uns daher entschlossen, unsere Möglichkeiten zu nutzen, den Verlagsvertrag mit Herrn Dr. Maaßen zu beenden.“ Und wenn es denn in dieser unerfreulichen, schwer durchschaubaren Angelegenheit einen Lichtblick gibt: Huster wird jedenfalls nicht wiederkommen.






Dr. habil. Ulrich Vosgerau, Jahrgang 1974, lehrte Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie Rechtsphilosophie an mehreren Universitäten.

 www.ulrich-vosgerau.de