© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/23 / 27. Januar 2023

Ausbeutung und Wasserknappheit
Tesla-Fabrik Grünheide: Bald Hunderttausende Model Y und Millionen von Batteriezellen – aber auch immer mehr Ärger?
Paul Leonhard

Wer das Klima retten will, sollte sich einen Job bei der Gigafactory Berlin-Brandenburg suchen. Der erste Tesla-Standort in Europa sucht weiter Mitarbeiter in den Bereichen Produktion, „Ingenieurwesen der nächsten Generation“ oder an den „operativen Herausforderungen im Vorantreiben unserer Mission, den weltweiten Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen“. Man habe die „modernste, nachhaltigste und effizienteste“ Fabrik, in der „Hunderttausende Model Y und Millionen von Batteriezellen“ produziert werden sollen – doch der E-Auto-Hersteller kommt dennoch nicht aus den Negativschlagzeilen heraus.

Denn Elon Musk legt sich nicht nur mit der woken Twitter-Blase an, sondern auch mit deutschen Behörden, Umweltverbänden und Gewerkschaften. In Grünheide südöstlich von Berlin prallen deutsche Regelwut und amerikanische Hemdsärmeligkeit aufeinander. Überrascht davon, „daß die Fabrik so schnell hochgezogen wurde und nun tatsächlich Autos produziert“, zeigt sich selbst Christoph Barmeyer, Professor für interkulturelle Kommunikation an der Uni Passau: Der US-Investor habe sich schon in der Plan- und Bauphase nicht an die deutschen Gepflogenheiten gehalten, sondern sich mit seiner Yankee-Mentalität durchgesetzt. Tarifverträge mit festgelegten Löhnen kannte Tesla bislang nicht. Er wundere sich, daß es „so lange gutgegangen ist“, so Barmeyer in der Wirtschaftswoche.

Im Dezember, ein Dreivierteljahr nach Werkseröffnung, rollten innerhalb einer Woche 3.000 der zwei Tonnen schweren E-SUV vom Band. Allerdings hätten es laut Musk mindestens 5.000, wenn nicht sogar 10.000 sein müssen. Zum Vergleich: Im modernen BMW-Werk Leipzig laufen täglich über 1.000 Pkws der 1er und 2er Reihe vom Band. Tesla-Erfolgsmeldungen gibt es auch weder beim Thema autonomes Fahren noch vom 2016 angekündigten Cybertruck oder dem kleinen Model 2. Der Aktienkurs ist von über 400 Dollar (2021) auf 130 Dollar abgestürzt. Dennoch ist Tesla (globale Autoproduktion 2022: 1,37 Millionen Stück) an der Börse immer noch doppelt soviel wert wie der weltgrößte Autohersteller Toyota (9,5 Millionen).

In Deutschland konnte der VW-Konzern trotz Lieferproblemen voriges Jahr 121.088 E-Autos absetzen, der Stellantis-Konzern (Citroën, Fiat, Jeep, Opel, Peugeot) kam auf 79.796 – Tesla verzeichnete nur 69.963 Neuzulassungen. Und da die Konkurrenz aus China, Südkorea und Europa immer mehr E-Autos anbieten, hat Tesla seine hohen Preise global gesenkt. In Deutschland ist das Modell Y nun für 44.890 bis 64.990 Euro erhältlich, was aber immer noch über den vergleichbaren Konkurrenten VW ID.4, Kia EV6 oder Hyundai Ionic 5 liegt.

„In unserer Gigafactory läuft eben noch nicht alles perfekt“

Doch Apple kann für sein iPhone auch mehr verlangen als Samsung oder Sony für ihre technisch oft besseren Smartphones. Daher dürfte es in Grünheide, wo seit Januar im Drei-Schicht-System rund um die Uhr gearbeitet wird, künftig an Arbeit nicht mangeln – wohl aber an Arbeitern. Denn die Arbeitsbedingungen für die bisher 8.500 Beschäftigten sind offenbar so schlecht, daß sich nicht nur bei der IG Metall Beschwerden über sehr hohe Arbeitsbelastung, Zusatzschichten an Wochenenden und kalte Werkshallen mehren. Die Löhne sollen etwa 20 Prozent niedriger liegen als bei vergleichbaren deutschen Firmen.

Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) appellierte an Musk, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die Landesregierung sei „gefordert, ohne falsche Rücksichtnahme den Arbeitsschutz durch engmaschige Kontrollen bei Tesla durchzusetzen“, erklärte Christian Bäumler, Bundesvize der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), im Handelsblatt. Die in den Arbeitsverträgen enthaltene Geheimhaltungserklärung würde „an eine Sekte“ erinnern. Ein Beispiel dafür ist die Stellenausschreibung für einen internen Sicherheitsermittler, der angeblich gegen jene Tesla-Arbeitnehmer vorgehen soll, die die Medien über die Mißstände in der Gigafabrik informieren.

All das mindert die Arbeitsleistung: „Manche Leute sind länger krankgeschrieben, als sie tatsächlich gearbeitet haben“, zitierte das Technologiemagazin Wired einen Mitarbeiter. Der Berliner Tagesspiegel zitierte einen anonym bleibenden Arbeitnehmervertreter, der von „knallharter Ausbeutung“ und „Zwangsverpflichtungen“ zur Mehrarbeit berichtete. Tesla gilt inzwischen als so schlechter Arbeitgeber, daß Autoexperten dem Unternehmen prophezeien, ohne eine Kursänderung nicht die für 2023/24 anvisierten 12.000 Arbeiter zu finden. Der Tesla-Betriebsrat, wo die Liste „Gigavoice“ die Mehrheit hat, hält viele Vorwürfe für übertrieben, aber man sei sich „bewußt, daß in unserer Gigafactory noch nicht alles perfekt läuft“.

Anhaltenden Streit gibt es auch mit heimatverbundenen Naturschützern und der Bürgerinitiative Grünheide, die sich um den hohen Wasserverbrauch sorgen und der rot-schwarz-grünen Landesregierung vorwerfen, das Grundwasser allein den Amerikaner zu überlassen. „Daß die Behörden klammheimlich jegliche Kontrolle an Tesla abgegeben haben, ohne uns oder die Öffentlichkeit zu informieren, ist ein handfester Skandal“, klagte André Bähler, Chef des regionalen Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE) im Stern.

Hintergrund ist die Ankündigung von Tesla, in der eher trockenen Region Fürstenwalde selbst nach Grundwasser zu bohren. Offenbar reicht der in den Genehmigungsunterlagen einst angegebene Spitzenverbrauch von 1,4 Millionen Kubikmetern Wasser, was dem Jahresbedarf einer 35.000-Einwohner-Stadt entspricht, perspektivisch nicht aus. Denn die im September 2022 in Frage gestellte Batteriefabrik wird fertig gebaut. Und das könnte die Wasserversorgung der Bürger ernsthaft gefährden, warnt Christiane Schröder, Landesgeschäftsführerin des Naturschutzbundes (Nabu). Die weiter wachsende Gigafabrik liegt schließlich mitten in einem Trinkwasserschutzgebiet.

Verein für Natur und Landschaft in Brandenburg:

 www.bi-gruenheide.de

 www.tesla.com