Neue Milliardenverluste wegen der Rußlandsanktionen: BASF muß 7,3 Milliarden Euro abschreiben. Ein Teil davon geht auf die sabotierte Nord-Stream-Pipeline 1 zurück. 5,3 Milliarden davon fallen bei der Tochter Wintershall Dea an, von der 72,7 Prozent dem Ludwigshafener Dax-Konzern gehören, der Rest zwei postsowjetischen Oligarchen. Pjotrs Avens ist als Enkel eines „Roten Lettischen Schützen“ Lette; Michail Fridman ist gebürtiger Ukrainer und Israeli. Da beide auch einen russischen Paß haben, werden sie als Russen vom Westen sanktioniert. Auf die BASF-Abschreibung soll ein Komplettrückzug aus Rußland folgen. Dieser Verlust wird als Gewinn in die Bilanzen der russischen Partner eingehen – wieder einmal ein Bumerang der Sanktionen.
Zu allem Überfluß scheinen sich damit Fehler der Iran-Sanktionen zu wiederholen. 2018 überlegten die Europäer, ein eigenes Zahlungssystem einzurichten, um die strengen US-Sanktionen zu umgehen, die den eigenen Firmen die Geschäfte mit den Mullahs erschwerten. Jetzt fordert die US-Finanzministerin afrikanische Staaten auf, das billige russische Öl zu importieren und so sechs Milliarden Dollar jährlich zu sparen. Damit unterläuft Janet Yellen das Ziel des Ölpreisdeckels, wie die EU 2018 die Ziele der US-Finanzsanktionen aushebeln wollte.
Für künftiges Wachstum blickt Wintershall nach Algerien, Argentinien, Norwegen und Mexiko. Das klingt zunächst einmal besser als Rußland, birgt aber neue Risiken. Algeriens Regierung ging im jahrelangen Bürgerkrieg nicht gerade zimperlich mit den Islamisten um. Mexiko ist quasi ein gescheiterter Staat, in dem Drogenkartelle und Korruption regieren. In Argentinien wurde erst 2012 der spanische Ölkonzern Repsol enteignet. Und genau da liegt das Problem: Der weltgrößte Chemiekonzern, der nun nach moralischen Gesichtspunkten Geschäftspolitik machen muß, muß kräftig schrumpfen, wenn er künftige, moralische Risiken vermeiden will. Nur Norwegen bleibt als risikoloser Öl- und Gas-Handelspartner.
Wachsen muß Wintershall, denn BASF will den Konzern entflechten und die Tochter an die Börse bringen, was im April nach Beginn des Ukrainekriegs auf Eis gelegt worden war. Wintershalls Gewinne dürften auch ohne den Beitrag des brachliegenden Rußlandgeschäfts dank der hohen Energiepreise sprudeln. Der Mutterkonzern litt im vergangenen Jahr unter niedrigeren Umsatzvolumen – nicht nur wegen der europäischen Energiekrise, sondern auch wegen des Corona-Lockdowns in China, wo BASF etwa 15 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet. Die Lockerungen dort dürften 2023 die kräftigen Umsatzsteigerungen des Vorjahres fortschreiben.
Teuer können die Wintershall-Abschreibungen auch für den Steuerzahler werden, denn die privaten Investitionen in Rußland haben staatliche Garantien. Die endgültigen Zahlen für 2022 wird BASF am 24. Februar vorlegen. Dann wird vielleicht auch klarer, ob und wie viele der abgeschriebenen Milliarden vom Bund erstattet werden müssen. Und: Nur elf Prozent der BASF-Aktionäre sind Deutsche, mehr als die Hälfte sind US-Investoren. Von eventuellen Erstattungen des Bundes werden aber alle profitieren. Nach manchen Maßzahlen ist die BASF-Aktie derzeit so günstig bewertet wie in den 1990er Jahren oder wie kurz nach der Finanzkrise. Sieht man von den Rußlandverlusten ab, ist die Gewinnlage stabil. Die Dividende ist sicher, die Dividendenrendite von 6,5 Prozent ist überaus attraktiv.