© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/23 / 27. Januar 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Beim Stühlerücken weich gefallen
Paul Rosen

Die Minister kommen und gehen, die Beamten bleiben. Dieser alte Grundsatz der Regierungsverwaltung ist heutzutage nicht mehr ganz richtig. Zwar kommen und gehen die Minister immer noch, aber sie bringen jeweils neue Beamte und Angestellte mit. Und diese bleiben dann im Haus, auch wenn der betreffende Minister längst schon wieder das Weite gesucht hat oder rausgeworfen wurde.

So ist es gerade wieder einmal im Verteidigungsministerium zu erleben, wo Christine Lambrecht (SPD) den Stab an Boris Pistorius (SPD) weitergegeben hat. Etwa ein Dutzend Lambrecht-Mitarbeiter, so ist in SPD-Kreisen zu hören, dürften den Wechsel nicht überstehen und müßten ihre Posten räumen. Genannt werden etwa Lambrechts Kommunikationschef Christian Thiels, der in der Besoldungsgruppe B6 ein Monatsgehalt von mindestens 10.600 Euro bezieht und jetzt auf einer entsprechend dotierten Stelle versorgt werden muß. Auch Lambrechts früherer Pressesprecher im Justizministerium, Rüdiger Petz, der seiner Chefin ins Verteidigungsressort gefolgt war, muß irgendwo untergebracht werden, da Lambrecht nun endgültig in Pension geht und keine Mitarbeiter mehr nachziehen kann.

Neu ist das alles nicht, denn schon zu CDU-Regierungszeiten mußten Mitarbeiter untergebracht werden, wenn der Minister ging. Als Franz Josef Jung (CDU) das Verteidigungsministerium verließ, kam zum Beispiel sein Pressesprecher bei der damaligen Privatisierungsgesellschaft der Bundeswehr unter.

Als Lambrecht ins Verteidigungsministerium kam, löste ihr Vorauskommando einen Eklat aus. Etliche Mitarbeiter waren bereits vor Amtsantritt der neuen Ministerin aufgefordert worden, ihre Büros leerzuräumen und Platz für Lambrechts Gefolgsleute zu machen. Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) war daüber derart erbost, daß sie ihre Teilnahme am Großen Zapfenstreich zur Amtsübergabe verweigerte.

Für rigorose Personalpolitik ist auch die FDP bekannt. Deren Vorsitzender, Bundesfinanzminister Christian Lindner, warf zu Jahresbeginn vier Abteilungsleiter in seinem Ministerium hinaus und ersetzte sie durch FDP-nahe Beamte aus dem Wirtschaftsministerium, wo Liberale unter dem grünen Minister Robert Habeck keinen leichten Stand mehr haben. Für den Rauswurf des Abteilungsleiters Steuern, Rolf Möhlenbrock, könnte Lindner sogar handfeste Gründe vorweisen: Unter dessen Verantwortung wurde im Jahressteuergesetz ein Passus eingebaut, der eine erheblich höhere Bewertung von Grundstücken vorsieht, so daß es ab 2023 zu erheblichen Mehrbelastungen bei der Erbschaftssteuer kommen könnte.

Sorgen um ihre Zukunft müssen sich die Betroffenen nicht machen. Als politische Beamte erhalten sie weiterhin ihre Besoldung. Auch Lambrecht muß zwar in Zukunft auf Hubschrauberflüge verzichten, bekommt aber in den nächsten zwei Jahren mehr als 200.000 Euro für den Übergang und soll später eine Pension von mindestens 4.500 Euro erhalten.