© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/23 / 27. Januar 2023

Schlingerkurs mit Ketten
Diskussion um Panzerlieferungen: Der Druck der Verbündeten auf Berlin nimmt zu / Pistorius: Bundeswehr soll stärkste Armee der EU werden
Peter Möller

Künftige wissenschaftliche Untersuchungen über den Krieg Rußlands gegen die Ukraine und die militärische Unterstützung des Westens werden ohne ein eigenes Kapitel über die politischen und diplomatischen Verwicklungen im Vorfeld der Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 kaum auskommen. Daß diese begehrten Kampfmaschinen aus deutscher Produktion früher oder später in die Ukraine geliefert werden, ist seit vergangener Woche wieder etwas wahrscheinlicher geworden. Zu groß ist seit dem Treffen der Verteidigungsminister auf der amerikanischen Luftwaffenbasis in Ramstein der Druck der westlichen Verbündeten auf die Bundesregierung, die notwendige Einwilligung zu geben, damit Länder wie Polen, Finnland oder Spanien Leopard-2-Panzer aus eigenen Beständen liefern dürfen. Die Erwartung nicht nur der Ukraine ist indes, daß auch Deutschland sie liefert – aus Beständen der Bundeswehr oder der Industrie.

Für die Diskussion in Deutschland ist dabei die Frage wichtig, wie viele Kampfpanzer derzeit in Deutschland überhaupt verfügbar sind. Glaubt man dem neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), herrscht darüber sogar im Verteidigungsministerium Unklarheit. Er habe sein Ministerium angewiesen, eine genaue Aufstellung der Bestände an Leopard-2-Panzern vorzunehmen, sagte er Ende vergangener Woche. Damit hat er offenbar eine Entscheidung seiner Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) revidiert. Wie das Internetportal Business Insider aus dem Verteidigungsministerium erfahren haben will, soll Lambrecht knapp eine Woche vor ihrem Rücktritt die Beamten angewiesen haben, keine Bestandsaufnahme bei den Bundeswehr-Panzern des Typs Leopard vorzunehmen.

Der Spiegel berichtet dagegen, eine entsprechende Liste existiere bereits seit Sommer 2022. Demnach verfügt die Bundeswehr über 312 Leopard-2-Panzer verschiedener Baureihen. Davon seien im Mai vergangenen Jahres 99 für Instandsetzungs- und Reparaturarbeiten bei der Rüstungsindustrie gewesen, einer in der Aussonderung. Unter der Überschrift „Bestand Truppe“ seien daher in der Liste 212 Stück aufgeführt. Darunter seien die verschiedenen Modelle 2A5, 2A6, 2A7 sowie 2A7V – die modernste Ausführung des Panzers, von der 53 Exemplare zur Verfügung stehen. Für eine Lieferung in die Ukraine würden sich der Liste zufolge aus Bundeswehr-Beständen 19 Leopard-2A5-Modelle eignen, da diese nur noch zu Übungen eingesetzt werden. Als unwahrscheinlich gilt in Militärkreisen, daß Panzer der modernsten Varianten aus Bundeswehr-Beständen in die Ukraine geliefert werden. In diesem Fall könnte Deutschland seinen Nato-Verpflichtungen nicht mehr nachkommen.

„Mit diesen Panzern kann die Regierung tun, was sie will“

Anfang der Woche kamen dann von der Panzerschmiede Rheinmetall Signale, die auf eine schnellere Lieferung hindeuten als bislang angenommen. Demnach seien bereits im Frühjahr jene Panzer einsatzbereit, die für sogenannte Ringtausche mit der Slowakei und Tschechien vorgesehen seien, sagte Konzernchef Armin Papperger dem Stern. „Diese Panzer gehören der Bundesregierung. Damit kann sie tun, was sie will.“ Es gehe um 29 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2A4, diese setze Rheinmetall bis Ende März instand. Diese Versionen sind eigentlich als Gegenleistung dafür vorgesehen, daß die Slowakei und Tschechien der Ukraine Waffensysteme sowjetischer Bauart geliefert haben.

Hinzukommen könnten 22 Leoparden, die bei Rheinmetall stehen und dem Unternehmen gehören. Deren Auslieferung wäre Ende 2023Anfang 2024 möglich. Zudem könnte Rheinmetall 88 Panzer vom älteren und schwächer bewaffneten Leopard 1 aufarbeiten. Insgesamt geht es also um 139 Ketten-Raubkatzen, die die Industrie kurz- beziehungsweise mittelfristig liefern könnte.

Während die Entscheidung über die Leopard-2-Panzer bald fallen könnte, schmiedet der neue Verteidigungsminister bereits Pläne für die Zukunft. „Deutschland ist die größte Volkswirtschaft in Europa, deswegen sollte es auch unser Ziel sein, die stärkste und am besten ausgestattete Armee in der EU zu haben“, sagte Pistorius der Bild am Sonntag. Das sei allerdings nicht in drei Jahren zu erledigen, dafür braucht es noch ein paar Jahre länger. „Mein Job ist es, jetzt die Weichen dafür zu stellen, daß die Zeitenwende gelingt“, kündigte er an.