© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/23 / 27. Januar 2023

Ländersache: Bayern
Genug ist genug
Paul Leonhard

Eine Offensive fordert Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der Bundesregierung: „Wir müssen den Zugang von Flüchtlingen einschließlich der nach wie vor erheblichen irregulären Sekundärmigration begrenzen“, so Herrmann auf der Innenministerkonferenz. Sein Land, in dessen Asylunterkünften Ende 2022 rund 169.000 Menschen lebten, stoße an die „Grenzen der Aufnahmefähigkeit“. Selbst die gutwilligsten Helfer sind inzwischen erschöpft. 

„Ich hätte gern, daß man mindestens eine der beiden Flüchtlingsunterkünfte auflöst, und zwar jetzt!“ Dieser Wunsch kommt von Alfred Lengler, Bürgermeister von Peutenhausen, einem Ortsteil von Gachenbach im oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Dabei galt das kleine Dorf in Unterfranken vor kurzem noch als Vorbild in Sachen Willkommenskultur. Die Aufnahmefreudigkeit war groß. Zahlreiche Ehrenamtliche richteten im Dorfzentrum ein verfallenes Gemeindehaus für Flüchtlinge her. Doch kurz nach dem Erstbezug begann eine Einbruchsserie. Als der Täter auch beim örtlichen Feuerwehrkommandanten Thomas Tyroller einbrach, zeichnete ihn eine Überwachungskamera auf. Es war einer der Männer, die Schutz in dem Gemeindehaus gefunden hatten, „das ich ein paar Tage vorher hergerichtet hatte“, so Tyroller. Mitte Dezember wurden vor der Kirche zwei Frauen sexuell belästigt. Die Polizei konnte zwei Afghanen aus der nahen Gemeinschaftsunterkunft als Täter ermitteln.

50 Asylbewerber sind für ein 650-Einwohner-Dorf zuviel, ist inzwischen die Mehrheitsmeinung. Die Stimmung sei „verhärtet“, sagt der Bürgermeister. „Jetzt, nach all den Vorkommnissen, neigt man schon dazu, alle in einen Topf zu werfen und zu sagen: Flüchtlinge, nein danke!“, zitiert der Bayerische Rundfunk Tyroller, der vor einem Jahr die Hilfsaktion voller Enthusiasmus geleitet hatte. Inzwischen hat sich der Helferkreis aufgelöst. „Jetzt wollen wir nicht mehr“, sagt der Bürgermeister. Und da sich die Politik – vom Landrat über die Regierung von Oberbayern bis zum Innenministerium – taub stellt, hat er den Mietvertrag mit dem Landkreis über die Flüchtlingsunterkunft fristlos gekündigt. Eine Sprache, die die Behörde versteht. Der Kündigung wurde widersprochen, allein eine ordentliche Kündigung akzeptiert. Die Dorfbewohner werden die Gäste, die sie einst bereitwillig gerufen und willkommen geheißen haben, frühestens im Frühjahr 2024 los, und bestenfalls einen Teil von ihnen.

Wie Peutenhausen geht es vielen bayerischen Gemeinden. Der Freistaat muß gemäß Königsteiner Schlüssel rund 15,56 Prozent der in Deutschland um Asyl bittenden Personen aufnehmen und verteilt diese weiter auf Städte und Gemeinden, die entsprechend der Asyldurchführungsverordnung zur Aufnahme gezwungen werden. Wer eine Willkommenskultur wie Peutenhausen pflegt, bekommt auch gern mehr – nur wird er sie sogar nach kriminellen Handlungen nicht mehr los. So verwies das Münchener Innenministerium Bürgermeister Lengler auf die in ganz Bayern sehr angespannte Unterbringungssituation: Man sei „auf jeden freien Platz angewiesen“, und „kein Landkreis/keine kreisfreie Stadt“ könne hier aus der Verantwortung genommen werden.