Unisono gelobten die Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Karola Wille, und ihr Kollege Kai Gniffke, seit 1. Januar neuer Vorsitzender der ARD: „Wir haben verstanden!“ Beide waren vergangene Woche zur Anhörung im Plenarsaal des Sächsischen Landtags erschienen, um über ihre Ansichten zum „Medienänderungsstaatsvertrag“ zu referieren (JF 4/23). Was sie versprachen, waren neben der Einstellung eines linearen Programms auch fortlaufende Einsparungen beim Personal. Dafür sollen die einzelnen öffentlich-rechtlichen Programme mehr zusammenarbeiten und die Synergien besser genutzt werden.
Zu dem Zeitpunkt allerdings, als Gniffke und Wille auf die Effizienz ihrer Reformbestrebungen verwiesen, dürfte ihnen der Prüfbericht der Rechnungshöfe aus den drei MDR-Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt längst schon zugestellt worden sein. Und dieser zeichnet entgegen Gniffkes und Willes Darstellung ein verheerendes Bild speziell des MDR. Die mitteldeutsche Dreiländeranstalt, so die Quintessenz des 36 Seiten dicken Papiers, das sich stellenweise wie ein Krimi liest, arbeite intransparent und ohne konkrete Zielvorgaben und stehe finanziell nur noch auf äußerst tönernen Füßen.
Im Klartext bedeutet insbesondere letzterer Punkt: Der MDR kann seine eigenen Defizite demnächst nicht mehr ausgleichen – und will das anscheinend auch nicht. „Der Entwicklungsplan 2022 bis 2025“, konstatiert der federführende Thüringer Rechnungshof namens der drei Länder bitterernst, „enthält kein finanzpolitisches Unternehmensziel mehr.“ Dabei weiß die MDR-Intendanz genau, wie bedrohlich die Finanzlage in ihrem Medienhaus ausschaut. Schon seit 2013 bedient sich der Sender zur Deckung entstehender Defizite aus bislang angehäuften Gewinnrücklagen. Diese jedoch, mahnen die Prüfer, seien zum Großteil bereits 2022 aufgebraucht gewesen. Noch in seinem Entwicklungsplan widersprach der MDR dieser Darstellung und sprach vom Ende seiner Gewinnrücklagen zum Jahr 2025. Bis dahin jedoch klafft in der Bilanz des Senders ein gewaltiges Loch in Höhe von 141 Millionen Euro. Von einem strukturellen Defizit sprechen hier die Prüfer: Denn die Finanzmisere sei nicht aufgrund teurer Neuinvestitionen entstanden, sondern sei hausgemacht – speziell durch vielzu viel und viel zu teures Personal.
Tatsächlich lobt der MDR zwar eine Übererfüllung des Plansolls, einen Personalabbau von 0,5 Prozent pro Jahr voranzutreiben. Faktisch allerdings betrifft dieser Abbau zwischen 2020 und 2024 gerade einmal 25 Beschäftigte – von denen ein Großteil lediglich aus Altersgründen in den Ruhestand gehen wird. Der MDR bezeichnet seine Vorgehensweise als „sozialverträglich“ und „wie auch im öffentlichen Dienst üblich“. Dabei mahnen die Personalausgaben dringenden zum Umdenken, folgt man der Kritik au dem Erfurter Rechnungshof: Allein zwischen 2016 und 2019 wuchsen Ausgaben für die Beschäftigten von jährlich 255 Millionen auf über 320 Millionen Euro an; die darin enthaltenen Altersversorgungen im gleichen Zeitraum sogar von zwei auf 52 Millionen Euro.
Die Personalaufwendungen, so das Papier der Finanzkontrolleure, erreichten „im Jahr 2019 einen Anteil von rund 42,4 Prozent an den Gesamtaufwendungen des MDR“. Doch einen konkreten Plan zur deutlichen Reduzierung seines Personals und somit seiner strukturellen Defizite habe der MDR bis heute nicht erarbeitet.
Wird Geldverschwendung bewußt toleriert?
Zumindest für die Opposition kommt der nun vorliegende Prüfbericht einer Steilvorlage gleich. „Zahlreiche Vorschläge der AfD, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundlegend zu reformieren und transparent zu gestalten, zuletzt durch die Forderung nach der Kündigung der Medienstaatsverträge im vergangenen Dezember, wurden von den Altparteien stets abgelehnt“, kommentierte der medienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Jens Cotta, das Urteil aus dem Rechnungshof des Freistaats. Sollte die Sendeanstalt Reformen weiterhin ausbremsen, müsse sie sich den Vorwurf „gefallen lassen, die naheliegende und drohende Pleite des MDR und damit die Verschwendung öffentlicher Gelder bewußt zu tolerieren.“
Die Beamten aus der Kontrollbehörde bestätigen die AfD-Kritik im wesentlichen. „Zum Abbau des strukturellen Defizits“, heißt es am Schluß des Berichts, „reicht die Einhaltung der vorgegebenen Budgets nicht aus. Es müssen Maßnahmen beschlossen werden, die zur Verminderung der Budgets führen.“ Eine erste dieser Maßnahmen hat MDR-Intendantin Wille für sich selbst gezogen: Zur Intendantenwahl im Herbst will die 63jährige nicht erneut antreten. Für ihren Ruhestand hält der finanziell angeschlagene Sender Medienberichten zufolge bis zu 4,6 Millionen Euro aus seinem Haushalt vor. Als potentieller Nachfolger wurde vom MDR-Verwaltungsrat bereits Ralf Ludwig ins Rennen geschickt, der unter Wille seit 2015 Verwaltungsdirektor des Senders ist.
Unterdessen haben die Kritiker des mit Pflichtbeiträgen üppig finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunks neues Futter bekommen: Lau einer Studie des Forschungsinstituts Media Tenor über die „Informationsqualität“ von ARD und ZDF – sowie dem Privatsender RTL – ist der Anteil positiver Berichte an allen Nachrichtenbeiträgen über Parteien und deren Politiker im Fall von Grünen und SPD jeweils am höchsten. Umgekehrt finden sich über diese beiden Parteien bei ARD und ZDF die wenigsten als „negativ“ kategorisierten Beiträge.
Die CDU werde benachteiligt, wenn auch nicht ganz so kraß wie die AfD. Media Tenor verzeichnet für die AfD in allen Nachrichtensendungen den mit Abstand höchsten Anteil negativer Beiträge. Im Rundfunkstaatsvertrag sind die öffentlich-rechtlichen Sender zur Ausgewogenheit verpflichtet.