Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle glauben an die Bundesbank“, spottete einst Jacques Delors. Jahre vor der Euro-Einführung wollte der Präsident der EU-Kommission mit diesem Bonmot die Anhänglichkeit der Deutschen an ihrer D-Mark karikieren und sich über ihr Stabilitätsbedürfnis lustig machen, das aus dem „Trauma der Hyperinflation“ von 1923 resultiere. Ob dieses Ereignis wirklich eine solche Langfristwirkung zeitigte, daß sie selbst die grassierende Angst im aktuellen Inflationsschub erklärt, schien Lukas Haffert (Lehrstuhl für Vergleichende Politische Ökonomie, Universität Zürich) zumindest zweifelhaft. Er befragte daher 2.000 Deutsche nach ihrem Bild von der Weimarer Wirtschaftsgeschichte. Für die meisten Probanden stellte die Hyperinflation kein so markantes Ereignis im historischen Gedächtnis dar (Aus Politik und Zeitgeschichte, 1–3/2023). Das „Trauma“ reproduzierte sich über Generationen also nicht selbst, sondern wurde über 50 Prozent der Befragten bestenfalls in dieser Mischform im Schulunterricht vermittelt. Trotzdem erfüllt diese vage kollektive Vorstellung die Funktion einer „nützlichen Autosuggestion“, die es den Deutschen erlaube, „Anspruch auf eine erhöhte Form geldpolitischer Achtsamkeit“ zu erheben.