© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/23 / 20. Januar 2023

Gelehrter mit spitzer Feder
Nachruf: Zum Tod des konservativen Publizisten Günther Deschner
Gernot Facius

Der promovierte Historiker, Publizist, Drehbuchautor und Filmemacher Günther Deschner, viele Jahre ein gern gelesener Autor der JUNGEN FREIHEIT, ist nach längerer Krankheit im 82. Lebensjahr verstorben. Seine berufliche Laufbahn hatte er als Lektor und Redakteur in Verlagshäusern begonnen, darunter Bertelsmann. Als Journalist schrieb er ab 1969 an der Seite von Günter Zehm („Pankraz“) für die Welt, deren zeitweiliger Kulturchef er war. Das Blatt galt damals als konservatives Flaggschiff aus dem Hause Springer, bis die Welle der „Liberalisierung“ auch vor der Bonner Redaktion an der Godesberger Allee nicht haltmachte. Das bekam auch so mancher Altgediente zu spüren.

Deschner, am 14. Mai 1941 in Fürth bei Nürnberg geboren, war ein Schüler des 1980 verstorbenen Erlanger Religions- und Geistesgeschichtlers Hans-Joachim Schoeps („Preußen-Schoeps“). Durch Schoeps wurde er für Arbeiten über die „deutsch-jüdische Symbiose“ inspiriert – ein, wie er schrieb, Thema von nicht vergehender Aktualität. Sein Fernseh-Zweiteiler „Jüdische Patrioten in Deutschlands Geschichte“ war dem „Nebeneinander, manchmal Gegeneinander, gelegentlich Durcheinander und meist aber auch Miteinander“ von Deutschen und Juden – von christlichen und jüdischen Deutschen – gewidmet.

Medienlandschaft und Parteien haben sich nach links bewegt

Schier resignierend bemerkte er im November 2016 in einem Vortrag vor der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle Ingolstadt: „Im ‘Dritten Reich’ wurde der deutsch-jüdische Patriotismus fast ganz zerstört. Seine Rückholung wenigstens in die geschichtliche Erinnerung begegnet heute unangemessenen Schwierigkeiten: Die allermeisten der heute in Deutschland lebenden Juden wissen von dieser deutsch-jüdischen Symbiose nicht mehr viel oder gar nichts mehr. Die Ausnahmen lassen sich an den Fingern abzählen.“ Und auf nichtjüdischer Seite leide die Erinnerung unter Ideologieverdacht.

Die „ausschließliche Holocaust-Fixierung“ in deutschen Medien nannte Deschner trostlos. Er zitierte in diesem Kontext gern den Staatsdenker Alexis de Tocqueville: „In Deutschland ist es üblich, daß die Extreme sich berühren.“

1977 erschien von Deschner „Statthalter der totalen Macht“, ein Buch über Reinhard Heydrich. Es wurde in den Folgejahren mehrmals aktualisiert. Der Autor schildert Hitlers Reichsprotektor in Böhmen und Mähren als den Typus eines wertfrei empfindenden technokratischen Managers: „Irgendwelche Hemmungen, seine Aufträge bestmöglich zu erfüllen, kannte er nicht. Bindung an eine höhere Macht war bei ihm nicht zu erkennen.“ Eben ein „moderner Heide“.

Wenn heute das kurdische Problem nicht mehr tabuisiert ist, so ist das zu einem großen Teil auf die Schriften Günther Deschners zurückzuführen. In „Die Kurden. Volk ohne Staat“ beschreibt er den politischen, historischen und wirtschaftlichen Zustand Kurdistans. Seit 1972 – damals 31 Jahre alt – hat er die Region mehrmals bereist und das Bestreben kurdischer Parteien und Bewegungen nach Unabhängigkeit verfolgt. Deschner führte Gespräche mit den führenden Vertretern der Unabhängigkeitsbestrebungen, darunter Mustafa Barsani, Dschalal Talabani und Abdullah Öcalan. Sein Befund: Stets seien die Kurden wie Bauern auf dem Schachbrett der regionalen wie auch internationalen Politik benutzt worden. „Ein betrogenes Volk.“

In den späten 1980er Jahren übernahm der umtriebige Franke die Chefredaktion eines Zeitschriftenprojekts des Verlegers Dietmar Straube. Puls, so lautete der Titel des Nachrichtenmagazins, das sich zum Ziel gesetzt hatte, die „Alleinherrschaft“ des Spiegels zu brechen und zu verhindern, „daß Rudolf Augstein weitere Rufmordkampagnen tätigt“. In der ersten Ausgabe 1987 hieß es im Editorial des Herausgebers Straube, das Magazin verstehe sich als „Bereicherung der politischen Kultur“. Puls komme auch deshalb auf den Markt, „damit dieses Land nicht jenen überlassen bleibt, die stets verneinen“. Das Blatt hielt sich jedoch nicht lange auf dem Markt.

1990 gründete Deschner in Bonn sein eigenes Medienunternehmen Media D. Später war er zwei Jahre Chefredakteur der Monatszeitschrift Zuerst! mit dem Untertitel „Das Magazin für deutsche Interessen“. Den Vorwurf, er verantworte ein rechtsextremes Blatt, wehrte er ab: „Ich und meine Kollegen haben in der Welt nicht anders geschrieben, als wir heute schreiben. Wenn man das heute möglicherweise als zu rechts empfinden sollte, kann man sagen, nicht wir haben uns weiter nach rechts bewegt, sondern das Parteiensystem und die Medienlandschaft haben sich weiter nach links bewegt.“