Einfach war es noch nie, Gründungskapital zu finden. Im derzeitigen Marktumfeld sind aber auch verläßliche Geldquellen ausgetrocknet. Das Bundeswirtschaftsministerium ließ zum Jahresende die 2013 gestartete Fördermaßnahme „Invest – Zuschuß für Wagniskapital“ auslaufen, die Privatanlegern bis zu 20 Prozent zuzahlte, wenn sie in Neugründungen investierten.
Eine Auswertung des Programms fiel zwar positiv aus, doch die „erforderlichen Abstimmungsprozesse“ zur Fortsetzung seien „noch nicht abgeschlossen“. Im Frühstadium einer Firmengründung ist Finanzierung schwierig, meist ist nur eine Idee vorhanden, seltener auch ein Prototyp. Für die großen Wagniskapitalfonds sind die Beträge zu klein, deshalb sind es meist Privatanleger, Geschäftspartner oder ehemalige Arbeitgeber, die Anschubfinanzierung stemmen. Die auf solche Frühinvestitionen spezialisierten Anleger sind häufig selbst frühere Firmengründer, die neben Kapital auch Expertise zur Verfügung stellen. Als „Business Angels“ bezeichnet man diese frühen Anleger.
Nach dem Rekordjahr 2021, in dem 17,4 Milliarden Euro in deutsche Startups investiert wurden, gab es laut einer Ernst & Young-Studie 2022 mit 9,9 Milliarden einen deutlichen Rückgang. Doch Deutschland liegt nur im Mittelfeld: Die USA führen mit Abstand mit über 300 Milliarden Dollar, Nummer zwei ist Großbritannien mit 15,6 Milliarden Pfund. Der Brexit hat dem Gründergeist der englischen Krämerseelen offenbar nicht geschadet. Indien, China und Frankreich liegen, je nach Statistik, mal knapp vor, mal hinter Deutschland. Der Einbruch hängt eng mit dem Börsenabsturz der Technologieaktien zusammen. Denn ein Verkauf oder Börsengang ist der übliche weg der Kapitalgeber, ihre Investition zu monetarisieren. Das „Invest“-Programm erzwingt sogar einen Ausstieg innerhalb von zehn Jahren, wenn man die Steuervergünstigung in Anspruch nehmen will. Auch für Firmen, die nicht selbst an die Börse gehen, wirkt sich die niedrigere Bewertung der Börsenfirmen als Vergleichswert negativ aus. Die Anleger selbst haben wegen des Kursverfalls an den Finanzmärkten weniger Kapital für riskante „Start-ups“ zur Verfügung. Solche Anlagen tätigt man nur mit Geld, zu dessen Verlust man bereit ist.
Wer aber gerade einen Teil seines Vermögens an der Börse verloren hat, kann sich keine riskanten Anlagen mehr erlauben. Umgekehrt befeuerten die Kursgewinne der vergangenen Jahre die Risikobereitschaft für waghalsige Geschäftsideen. Auch die Mindestbesteuerung durch Begrenzung von Verlustvorträgen hilft nicht – es dauert länger, bis Nachsteuergewinne hohe Anfangsinvestitionen ausgleichen, was Anlagen in Neugründungen weniger attraktiv macht. Die oft abstrusen Bewertungen von Jungunternehmen, die viel Wachstum ohne Gewinn aufweisen, sind Vergangenheit. Unicorns wurden jene Firmen genannt, die eine Bewertung von einer Milliarde Dollar erreichten. 32 „Einhörner“ gibt es derzeit in Deutschland. Das größte, die Münchner Software-Firma Celonis SE, hat eine Bewertung von 13 Milliarden Dollar.
Das reicht für Nummer 26 weltweit, aber abgeschlagen hinter ByteDance (China; TikTok-App), SpaceX (Elon Musk) und Shein (Sportmode-Versender; Nanking/Singapur) mit einem Wert von je mehr als 100 Milliarden. Viele Einhörner dürften diesen Status in nächster Zeit verlieren, wenn die Start-up-Bewertungen dem allgemeinen Rückgang der Finanzmärkte mit Verzögerung folgen.