© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/23 / 20. Januar 2023

Petr fliegt über das Storchennest
Präsidentschaftswahl in Tschechien: Ex-General Petr Pavel überzeugt, will Präsident werden und sucht den Kampf Mann gegen Mann
Paul Leonhard

Am 8. März endet die zehnjährige Amtszeit von Miloš Zeman. Für seine Nachfolge als Präsident Tschechiens hatten sich am Sonnabend acht Bewerber zur Wahl gestellt, und erstaunlicherweise erreichte der lange als Favorit gehandelte Ex-Premier Andrej Babiš (Ano) lediglich Platz zwei. Der Milliardär, der kurz zuvor von einem Subventionsbetrugsversuch freigesprochen worden war, lag nach Auszählung der Stimmen mit 35 Prozent knapp hinter dem früheren Nato-General Petr Pavel, der 35,4 Prozent erhielt. Von den anderen Kandidaten erreichte lediglich die ehemalige Hochschulrektorin Danuše Nerudová mit 14 Prozent ein zweistelliges Ergebnis.

Das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Babiš und Pavel, der zwar als unabhängiger Kandidat angetreten ist, aber vom regierenden Mitte-Rechts-Wahlbündnis Spolu – einem seit 2020 bestehenden Zusammenschluß der Parteien ODS, KDU-CSL und Top 09 – unterstützt wird, war von den Demoskopen zwar erwartet worden, aber mit deutlich geringeren Stimmanteilen und schon gar nicht die überraschende Führung des einstigen Armeegenerals, und das noch bei einer historisch hohen Wahlbeteiligung von 68,2 Prozent der 8,3 Millionen Wahlberechtigten.

Für Pavel hat sich mit diesem Ergebnis schon ein Wunsch erfüllt: „In der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl würde ich gerne gegen Andrej Babiš antreten“, sagte er Tage zuvor in einem Interview mit der Tageszeitung Forum 24: „Nicht weil ich Danuša Nerudová für einen stärkeren oder schlechteren Gegner halte, sondern weil ich eine unerklärliche Neigung zum Effekt eines Kampfes Mann gegen Mann habe.“ Zuvor hatte Pavel seinem Mitbewerber noch geraten: „Wir sollten genug politische Kultur haben, daß eine Person, die so vielen Anschuldigungen ausgesetzt ist, einfach nicht für dieses Amt kandidiert.“

Daß Babiš den Fehdehandschuh zur Kenntnis genommen hat, ist bisher kaum spürbar. Der 68jährige hatte sich vor der ersten Runde der Wahlen in der Öffentlichkeit auffallend zurückgehalten, was mit der zu diesem Zeitpunkt noch laufenden Anklage wegen angeblichen Subventionsbetrugs zusammenhängen dürfte. Ihm war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, zwei Millionen Euro EU-Fördermittel für das Wellness-Resort „Storchennest“ kassiert zu haben. Obwohl die Gelder für kleine und mittlere Unternehmen gedacht waren, soll er dieses zuvor an Familienangehörige überschrieben haben. 

Der jetzt erfolgte Freispruch dürfte Babiš neuen Auftrieb geben, sich als „politisch Verfolgter“ darzustellen. Seine Wählerschaft, traditionell jene Bevölkerungsgruppen, die unter den Folgen der Globalisierung, unter hoher Inflation und Energiepreisen zu leiden haben, aber auch jene, die engen Nato-Einbindung Tschechiens eher skeptisch gegenüberstehen und den Schulterschluß des Landes mit der Slowakei und Ungarn suchen, dürfte das honorieren. 

Zumal Wahlkampfgegner Pavel mit dem Visegrád-Bündnis nichts zu tun haben will:  „Wir sind mit Ungarn und teilweise mit Polen in ganz grundsätzlichen Fragen unterschiedlicher Meinung, und ich frage mich, ob so eine Gruppe noch sinnvoll ist.“ Auch Wählerschelte gibt es vom früheren Vorsitzenden des Nato-Militärausschusses: Jede Stimme für Babiš’ „Welt der Werte, oder eher Nicht-Werte“ sende „natürlich auch eine Botschaft an unsere Partner und Verbündeten, daß im Falle der Nichtwahl von Pavel Tschechien ein Land sei, „das sich durch den Willen seiner Wähler in die zweite oder dritte Kategorie gestellt“ habe. 

Wer der vierte Präsident Tschechiens wird, bestimmen die Wähler bei der Stichwahl am 27. und 28. Januar.