© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/23 / 20. Januar 2023

Verfrühte Häme rächt sich gern
USA: Joe Bidens Dokumentenchaos erfreut die Republikaner
Marc Zoellner

Zumindest für Donald Trump beginnt das neue Jahr mit erfreulichen Nachrichten: Noch letzten August löste die Durchsuchung von Donald Trumps Haus in Florida durch das FBI „einen politischen Feuersturm aus, wie es ihn in jüngster Zeit noch nie gegeben“ (BBC) hatte. Das FBI beschlagnahmte 18 Dokumente, die als streng geheim, 54 als geheim und 21 als vertraulich gekennzeichnet waren. Im Vorfeld der Halbzeitwahlen vom 8. November lieferte Trump mit seinem mutmaßlichen Fehlverhalten eine Steilvorlage für die US-Demokraten, allen voran dem amtierenden US-Präsidenten Joe Biden. 

Für letzteren könnte sich dessen öffentliche Häme („Wie kann so etwas nur passieren?“) als politischer Fehlschuß erweisen. Anfang Januar mußten seine Anwälte kleinlaut eingestehen: Auch auf Bidens Privatgrundstücken waren streng geheime Unterlagen des Weißen Hauses aufgetaucht – aus einer Zeit, als Biden noch nicht einmal US-Präsident, sondern nur Vize unter Barack Obama war.

Von Brisanz sind dabei sowohl der Fundort als auch die Fundzeit, auch im Vergleich zu Trumps Fauxpas. „Mar-a-Lago ist eine ummauerte Festung“, äußert sich Trump auf seiner Plattform „Truth Social“. „Ich habe hier Sicherheitskräfte, und der Secret Service ist rund um die Uhr vor Ort. Vergleicht das mit einer windigen Garage ohne Sicherheitskräfte und mit leichtem Zutritt für jedermann.“ 

Tatsächlich wurden gleich mehrere Dokumente aufgefunden, und zwar bereits am 20. Dezember vergangenen Jahres. Am 9. Januar brachte der US-Sender CBS News den Skandal ans Licht. Kurz darauf wurde deutlich: Es handelte sich nicht um den ersten Aktenfund bei Biden. Bereits am 2. November waren ähnliche Dokumente in Bidens Büro in einer privaten Washingtoner Denkfabrik aufgetaucht; ganze sechs Tage vor den Zwischenwahlen. Das Weiße Haus verschwieg diese Tatsache allerdings der Öffentlichkeit.

Am 11. Januar entdeckten Bidens Anwälte bei einer von Biden autorisierten Durchsuchung seiner Häuser in Delaware ein weiteres streng geheimes Dokument. Sie stellten daraufhin die Suche ein, woraufhin die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, erklärte: „Die Suche ist abgeschlossen.“ Nur drei Tage nach dieser Erklärung, tauchten fünf weitere streng geheime Akten auf.

Gerade die Geheimhaltung der Funde über die Zwischenwahlen hinaus macht es den Republikanern derzeit leicht, zum Angriff nicht nur gegen Biden, sondern das ganze Justizsystem zu blasen. Der späte Zeitpunkt der Veröffentlichung, kritisierte Kevin McCarthy, republikanischer Sprecher des Repräsentantenhauses, am Sonntag im Interview mit Fox News, verdeutliche, „warum das amerikanische Volk seiner Regierung nicht“ vertraue.