Rassismus hat in Deutschland Konjunktur. Seit Antritt der Ampel-Koalition herrscht bei selbsternannten Aktivisten und den häufig beschworenen zahlreichen „zivilgesellschaftlichen“ Organisationen, die sich dem „antirassistischen“ Kampf verschrieben haben, eine regelrechte Goldgräberstimmung. Nicht nur, daß sich die Akteure mit ihrem Anliegen endlich von der Bundesregierung ernstgenommen fühlen, sie können auch auf eine umfängliche finanzielle Förderung hoffen.
„Heute steht der Kampf gegen Rassismus oben auf unserer politischen Agenda“, hieß es denn auch in der vergangenen Woche von der Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan (SPD) bei der Vorstellung des 13. Integrationsberichts der Bundesregierung, der in diesem Jahr erstmals ausschließlich dem Thema Rassismus gewidmet ist. Unter der Überschrift „Rassismus in Deutschland: Ausgangslage, Handlungsfelder, Maßnahmen“ will der Bericht das Thema umfassend darstellen: „mit Daten und Fakten, mit Analyse der Erscheinungsformen, mit Transparenz über Lücken in der Prävention, Forschung oder Beratung.“
Vorwurf, die CDU schüre nach Silvester Rassismus
Von der Dringlichkeit und der Notwendigkeit dieses Anliegens ist Alabali-Radovan überzeugt: „Wir müssen Rassismus konsequent bekämpfen, das ist systemrelevant für unsere Demokratie. Denn alle müssen hier sicher, in Würde und mit gleichen Chancen leben“, sagte sie. Die Problematik dürfe dabei nicht verengt werden auf gewaltförmige, extreme Ausprägungen. „Es geht um Straftaten, aber auch um Alltagsrassismus und strukturellen Rassismus“, sagte sie und kam in diesem Zusammenhang auch auf die Debatte über die Krawalle in der Silvesternacht zu sprechen.
Diese habe gezeigt, „daß wir es auch 2023 leider nicht schaffen, in unserem Einwanderungsland solche Themen zu diskutieren, ohne dabei rassistische Ressentiments zu bedienen“. Die Forderung der Berliner CDU, die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen aus der Silvesternacht offenzulegen, teile „die Menschen auf in Bürgerinnen und Bürger erster und zweiter Klasse“, sagte Alabali-Radovan. Dies stigmatisiere Menschen und schüre rassistische Ressentiments.
Eine bessere tagespolitische Einbettung des Rassismusberichtes hätte sich die Integrationsbeauftragte kaum wünschen können. Zumal der Bericht ihrer Ansicht nach deutlich zeigt, daß Strukturen überdauern, die bewußt oder unbewußt zu Benachteiligung und rassistischer Diskriminierung im Alltag führen könnten. „Etwa in Schule und Berufsbildung, am Arbeits- oder Wohnungsmarkt oder im Kontakt mit Behörden.“
Nach dem Willen der Integrationsbeauftragten soll es nicht bei der Analyse der Lage bleiben. Die eigentliche Arbeit, so muß man die Vorstellung des Berichtes deuten, fängt jetzt erst an. „Vielfalt ist längst Realität, sie muß aber auch in allen Bereichen zur Normalität werden“, sagt Alabali-Radovan. Mit anderen Worten: Der Bericht soll als Ausgangslage dienen, um die darin aufgeführten tatsächlichen oder angeblichen Mißstände abzustellen. Dazu sollen nach dem Willen der Integrationsbeauftragten unter anderem mehr sogenannte „unabhängige“ Beschwerdestellen eingerichtet werden, an die sich diejenigen wenden können, die rassistische Diskriminierung etwa durch die Polizei, private Vermieter oder Lehrkräfte erlebt haben.
In den Handlungsempfehlungen des Berichts sind eine Reihe weiterer Maßnahmen aufgelistet: etwa die Förderung „niedrigschwelliger Community-basierter Beratung in Migrantenorganisationen“. Dazu gehören Professionalisierung, Qualifizierung sowie das Einsetzen hauptamtlicher Antirassismus-Berater. Die bereits jetzt vorhandenen Beratungsstrukturen sollen nach den Vorstellungen der Integrationsbeauftragten besser vernetzt und flächendeckend ausgebaut werden – „auch in ländlichen Räumen, in Kleinstädten und online“. Alabali-Radovan kündigte zudem an, einen Antirassismus-Expertenrat mit Mitgliedern aus „Wissenschaft und Praxis“ zu gründen. Aufgabe des neuen Gremiums soll unter anderem sein, eine „Arbeitsdefinition von Rassismus für Verwaltungshandeln“ mit dem Ziel zu erarbeiten, Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Gleichzeitig sollen Opferinitiativen gestärkt und mit mehr Ressourcen für eigene Projekte und Räume „zum Austausch und Empowerment“ ausgestattet werden.
Ziel der künftigen Antirassismus-Arbeit der Integrationsbeauftragten ist es zudem, kommunale Entscheidungsträger zu stärken, die sich vor Ort gegen Rassismus engagieren. Dafür sind den Angaben zufolge ab Frühjahr dieses Jahres deutschlandweit an zunächst zehn Standorten Modellprojekte geplant. Auch der Kampf gegen „Haßrede im Internet“ („Hate Speech“) steht auf der Liste der Maßnahmen. Hierfür sollen die „Gegenrede“ gestärkt und Akteure in Sozialen Medien im Umgang mit Haßrede geschult werden.
All diese geplanten Maßnahmen im Kampf gegen Rassismus sind natürlich nicht zum Nulltarif zu haben. Im Jahr 2022 standen für derlei Vorhaben acht Millionen Euro zur Verfügung. Im Bundeshaushalt 2023 sind hierfür bereits zehn Millionen Euro eingestellt, berichtete die Staatsministerin stolz. Und schon jetzt braucht man sich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, um vorherzusagen, daß es bei diesen zehn Millionen Euro nicht bleiben wird. Die Vorstellung des Rassismusberichts hat deutlich gemacht: Dem institutionellen „Kampf gegen Rassismus“ stehen goldene Zeiten bevor.