Den Streit unter Nachbarn gibt es nicht nur in den Reihenhaussiedlungen deutscher Vorstädte, sondern auch zwischen Bundesländern. Ein aktuelles Beispiel? Hamburgs Nachbarn – vor allem Schleswig-Holstein – liegen im Clinch mit der Hansestadt. Hier geht es nicht um die Höhe der Hecke oder Rasenmähen am Sonntag, sondern um Schlick – und wo der bleiben soll.
Unstrittig ist, daß es ein Problem gibt mit zuviel Sand und Matsch in der Elbe. Eigentlich sollten seit der jüngsten Vertiefung Schiffe mit bis zu 14,5 Metern Tiefgang in den Hamburger Hafen einlaufen können; und zwar ganz unabhängig davon, ob gerade Ebbe herrscht oder Flut. Doch vor zwei Monaten hat die zuständige Generaldirektion des Bundes für Wasserstraßen und Schiffahrt die Freigabe um bis zu einem Meter wieder eingeschränkt. Die großen Containerschiffe haben nun weniger Freiraum zum Navigieren auf dem Fluß und müssen zudem das Tempo reduzieren. Es sei, „als ob man mit einem Lastwagen durch eine zugeparkte Ladenstraße kurvt“, sagte ein genervter Kapitän dem Norddeutschen Rundfunk.
Der Bund solle also mehr baggern, um den Schlick aus der Fahrrinne zu bekommen und den Warentransport ungehindert zu ermöglichen, fordern Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) genauso wie die Hafenwirtschaft. Doch die Streitfrage mit den Nachbarn würde dadurch noch verschärft. Zwar haben auch die Elb- und Nordseeanrainer Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein starkes Interesse an einem reibungslosen Schiffsverkehr; nicht zuletzt würden Staus im Nord-Ostsee-Kanal das Bundesland zwischen den Meeren erheblich betreffen. Doch bei dem, was im offiziellen Sprachgebrauch „Sedimentverbringung“ heißt, könnte buchstäblich eine Schlammschlacht drohen. Und das, obwohl kurz vor dem Jahreswechsel noch der „Schlickfrieden“ ausgerufen wurde.
Doch wie beim Zoff unter Häuslebauern müssen sich für die Beilegung desselben alle an die Absprachen halten. Seit 2005 wird der aus der Fahrrinne der Elbe gebaggerte Schlick auf schleswig-holsteinischem Hoheitsgebiet vor Deutschlands einziger Hochseeinsel Helgoland, genauer: bei Tonne E3, abgeladen. Doch das von den Ländern vereinbarte Kontingent von 1,5 Millionen Tonnen ist ausgeschöpft. Hamburg wollte ausweichen auf die vor der Elbmündung liegende Vogelschutzinsel Scharhörn, die zur Hansestadt gehört. Dagegen laufen die Regierungen in Kiel und Hannover Sturm, weil sie dadurch den Nationalpark Wattenmeer gefährdet sehen. Eigentlich hieß es auch, Scharhörn sei vom Tisch und Hamburg dürfe zunächst weiter Schlick an Tonne E3 verklappen. Bei einer Rede vor dem renommierten Übersee-Club brachte Tschentscher indes Scharhörn wieder ins Gespräch – und löste bei Hamburgs Nachbarn Kopfschütteln aus.
Dabei wird der scheinbare Friede auch im Kieler Landtag in Frage gestellt. Es geht ums liebe Geld. Hamburg zahlt bisher pro Tonne Schlick fünf Euro – an die Stifung Nationalpark Wattenmeer. Künftig wollen die Schleswig-Holsteiner Abgeordneten aber mitbestimmen, wohin der „Sediment-Taler“ fließt. Im Februar sollen die Friedensgespräche wieder aufgenommen werden.