Frische Blumen und brennende Kerzen vor dem Gebäude der „Kaufmännischen Schule Tecklenburger Land“ in Ibbenbüren im Münsterland. Hier hat am Mittwoch vergangener Woche ein Schüler seine Lehrerin mit einem Messer attackiert. Der 17jährige Sinan Y. verletzte die Pädagogin dabei so schwer, daß sie noch am Tatort verblutete. Der Schüler wählte nach seiner Tat den Notruf und ließ sich von der Polizei festnehmen. Die Tat geschah nicht während des Unterrichts, sondern am Nachmittag, als sich die 55jährige Mutter zweier Kinder allein in einem Klassenzimmer aufhielt.
Von der „endgültigen Eskalation eines lange währenden Konflikts“ berichtet die Bild-Zeitung, die Kollegiums-Kreise zitiert, wonach „Sinan ein klassischer Typ Großkotz“ gewesen sei, der nach dem Motto „mir kann keiner was“ durchs Leben ging. Mitschüler dagegen äußerten dem Sender RTL gegenüber, der Messerstecher sei „immer ein ganz korrekter Junge“ gewesen und habe stets freundlich „mit ‘Salam aleikum’ gegrüßt“.
Andere Jugendliche schilderten ihn als „komischen Typen“, der keinen Kontakt zu seinen Eltern gehabt habe und „von Heim zu Heim“ gegangen sei. Sinan habe „immer ein Messer dabei“ gehabt, so eine Berufsschülerin. Auch habe sich der Jugendliche oft geprügelt und Kampfsport gemacht.
„Ermittlungen haben ergeben, daß der Tatverdächtige Probleme in der Schule gehabt haben soll“, sagte ein Polizeisprecher. Daß der Fachoberschüler an jenem Mittwoch vergangener Woche wegen „immer wiederkehrenden Konflikten mit Lehrerinnen und Lehrern“ für einen Tag der Schule verwiesen wurde, muß ihn so gekränkt haben, daß er am Nachmittag zurückkehrte und die Deutschlehrerin im fünften Stock der Berufsschule aufsuchte. Dort kam es wohl zu einer verbalen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Jugendliche ein mitgebrachtes Messer zückte und mehrfach auf die Lehrerin einstach.
Schulleiter beklagen Beleidigungen und Angriffe
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger forderte einen besseren Schutz von Lehrkräften und einen grundsätzlichen Kurswechsel: „Wir müssen alles unternehmen, um Lehrkräfte besser vor Gewalt zu schützen.“ Die FDP-Politikerin bezeichnete es als „nicht hinnehmbar, daß Lehrerinnen und Lehrer regelmäßig beleidigt, bedroht und attackiert werden“. Konkreter wurde Stark-Watzinger nicht.
Im November 2022 hatte die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) eine Studie vorgestellt, in der ein größerer Teil der 1.300 befragten Schulleiter „bedrückende Erkenntnisse“ zum Thema Gewalt gegen pädagogisches Personal schildert. Ein Drittel der Schulen meldete gewalttätige körperliche Angriffe auf Lehrer, in Nordrhein-Westfalen sind es sogar fast 50 Prozent. Zwei Drittel der Direktoren berichten von Beleidigungen, Bedrohungen oder Belästigungen in den vergangenen fünf Jahren.
Betroffen sind der Studie zufolge insbesondere Förder- und Sonderbildungsstätten, aber auch Haupt-, Real- und Gesamtschulen. 69 Prozent der Schulleitungen beklagen bundesweit den Lehrkräftemangel, ein Drittel moniert die hohe Arbeitsbelastung, und etwa 25 Prozent bemängeln die Probleme „bei der Inklusion und der Integration Geflüchteter“.
Sinan Y. drohen im Fall einer Verurteilung nach Jugendstrafrecht voraussichtlich maximal zehn Jahre Gefängnis.