© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/23 / 20. Januar 2023

Katja Adler. Die FDP-Bundestagsabgeordnete spricht von „kultureller Überfremdung“ – und muß sich entschuldigen.
Reflexhaft ins rechte Eck
Sandro Serafin

Keine fünf Stunden dauerte es, da zensierte die FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Adler sich selbst: Am 3. Januar hatte die 48jährige, Wahlkreis: Hochtaunus (Hessen), zu den Silvester-Ereignissen beherzt geschrieben: „Und wieder wird jeder Gedanke an kulturelle Überfremdung fast reflexhaft in die rechte, gar radikale Ecke geschoben. Das ist ein Problem, das dem eigentlichen (einer) verfehlten Migrationspolitik in nichts nachsteht.“ Ein „mißverständlicher Tweet“ sei das gewesen, entschuldigte sie sich. Eine Debatte zur Migrationspolitik müsse man zwar führen, doch nicht „mit den falschen Begriffen“. Gemeint war „kulturelle Überfremdung“ – was sogleich für wildeste Vorwürfe im Netz gesorgt hatte. Der Spiegel fragte später FDP-Fraktionsgeschäftsführer Johannes Vogel mit Verweis auf Adler, ob seine Partei ein „Rassismusproblem“ habe. Pflichtgemäß wies der die Wortwahl seiner Kollegin und „das kollektivistische Konzept dahinter“ zurück. War also alles nur ein Ausrutscher Adlers? 

Bevor die Diplomverwaltungswirtin mit Studienabschluß in Verhaltenswissenschaft 2021 in den Bundestag einzog, arbeitete sie als Beamtin in verschiedenen Landesministerien. Zur FDP kam sie 2010, auch wegen des sozialpolitischen Einsatzes eines Lokalpolitikers im heimischen Oberursel. Bis dahin waren ihr die Liberalen als „kühle Wirtschaftspartei“ erschienen. Sie selbst engagierte sich für eine Kinderkrippe und setzte sich mit Frauen auseinander, die meinen, Kinder unter drei Jahren gehörten nicht in Fremdbetreuung. Gern trug die zweifache Mutter ein Hemd mit dem Aufdruck „Rabenmutter“. Kaum im Bundestag hob sie am Koalitionsvertrag die Streichung des Werbeverbots für Abtreibung hervor sowie die Aufnahme eines Diskriminierungsverbots wegen „sexueller Identität“ ins Grundgesetz – wo sie künftig auch Kinderrechte verankert sehen möchte.

Adler wirbt für Patriotismus, Verantwortung und Freiheit „mit einem klaren Bekenntnis zum Kapitalismus“.

Doch hat Adler auch eine weniger politisch korrekte Seite. Massive Kritik übte sie etwa an der Corona-Politik und stimmte als eine von sieben FDP-Rebellen gegen eine Novelle des Infektionsschutzgesetzes der eigenen Regierung. Und als im Juli Links­auslegerin Ferda Ataman Antidiskriminierungsbeauftragte wurde, verweigerte sie ihr die Stimme. Überhaupt stimmt die politische Großwetterlage Adler bedenklich: Auf Twitter kritisierte sie, hierzulande habe „Links das Ruder übernommen (und) alles, was nicht woke oder links ist, wird als rechts geframt“, forderte „weniger Ideologie, Moral und Gesinnungsethik“, dafür „mehr Patriotismus, Verantwortung und Freiheit mit klarem Bekenntnis zum Kapitalismus“. Angela Merkel attestierte sie, alles was diese aufgebaut habe sei „eine Brücke in eine kollektivistische, sozialistische und gespaltene Gesellschaft“.

Der Verweis auf den Sozialismus ist wohl kein Zufall: Geboren 1974 in Eisenhüttenstadt, war Adler 1989 Teil der FDJ-Abordnung, die am 40. Gründungstag der DDR an der SED-Ehrentribüne vorbeimarschierte, dabei aber provokativ „Gorbi! Gorbi!“ rief. 2021 schrieb sie, das Programm der Grünen erinnere in manchem an das sozialistische System. Freiheit ende für diese „beim Deckel ihrer Ideologie der Klimadoktrin“. Doch auch mit der FDP scheint Adler nicht zufrieden zu sein: Viele Wähler seien zur AfD abgewandert, die jüngsten Wahldebakel absehbar gewesen. Und nahezu „unerträglich wäre es, wenn die FDP nicht endlich ihren liberalen, bürgerlichen Kompaß (nutzt)“.