Das politische Berlin und ein beachtlicher Teil der veröffentlichten Meinung sehen sich bekanntlich seit Jahrzehnten in einer Führungsrolle bei der Rettung der Welt. Das ist keine rein rhetorische Berufung, sondern zeigt sehr praktische Folgen. Zu diesem Zweck werden Maßnahmen zum „Schutz“ des Klimas angeordnet, die der Physik zu spotten scheinen, werden technologisch hochwertige Kraftwerke abgeschaltet und im Rahmen einer Umverteilung des deutschen Besitzes die Grenzen für Migration ohne Prüfung der Personen geöffnet. Die Verteidigung dieser Grenzen und überhaupt die Wahrung greifbarer deutscher Interessen scheint dagegen eher eine Angelegenheit der zweiten Reihe zu sein.
Man muß etwas ausholen, um die hier gestellte Frage nach der Lieferung von Kampfpanzern Richtung Kiew zu begreifen. Schließlich ist Deutschland weiterhin Teil der Nato, es ist außerdem Teil der Europäischen Union. Und es ist in diesen beiden Rollen an Projekten jener Organisationen beteiligt gewesen, die deren Ausdehnung nach Osteuropa vorangetrieben haben. Die Ausweitung von Nato und EU geschah nicht konfliktfrei, aber weitgehend einvernehmlich und auf Wunsch der neu aufgenommenen Staaten im Baltikum und Südosteuropa. Diese versprachen sich von ihren neuen Mitgliedschaften die wirtschaftliche Öffnung Richtung Zentraleuropa und einen finalen Schutz vor russischen Revisionswünschen.
Letzteres mit Gründen, denn schließlich bedauert in Moskau nicht nur der seit einem Vierteljahrhundert starke Mann und aktuelle Präsident den Verlust der Machtposition der Sowjetunion und will diesen möglichst wieder rückgängig machen. Er kann sich dabei auf einen breiten Rückhalt in der russischen Öffentlichkeit stützen. Bisher gedachte die westliche Seite solchen Ansinnen vor allem mit ihrem guten Ruf und den gegebenen Sicherheitsgarantien entgegenzutreten. Militärische Einheiten, die einen russischen Angriff auf Nato-Territorium hätten abwehren können, gab es an der einzigen solchen Grenze im Baltikum nicht, geschweige denn solche, die gegen Rußland offensiv hätten werden können.
Nun behauptet Moskau neuerdings aber gerade eben dies und erklärt, zur Selbstverteidigung gegen drohende Angriffe auf Rußland in die Ukraine einmarschieren zu müssen. Richtig ist, daß die Ukraine durch den Westen aufgerüstet wurde, um den Donbass wieder gegen die dortigen „Rebellen“ zurückerlangen zu können und um weitere russische Eroberungsversuche abzuwehren, wie sie seit 2014 stattgefunden haben. Mit einem Angriff auf Rußland selbst hat das nichts zu tun, und Wladimir Putin selbst hat ja bei anderen Gelegenheiten erklärt, die Ukraine sei militärisch überhaupt nicht ernst zu nehmen.
Diese Rückkehr des Krieges nach Europa durch den russischen Angriff stellt die Frage nach den eigenen deutschen Interessen unüberhörbar laut. Sie trifft die oben skizzierte Republik unvorbereitet. Viele scheuen vor dem Krieg als Mittel der Politik generell zurück, Teile der Regierung ergehen sich dagegen in grotesker Kriegsrhetorik. Nüchtern betrachtet ist eine Beteiligung an den westlichen Anstrengungen zur Stützung der Ukraine absolut angemessen. Sie entspricht der in Jahrzehnten entwickelten Position und den langfristigen Interessen der Bundesrepublik in ihrem östlichen Vorfeld. Ebenso nüchtern betrachtet kommen allerdings keine deutschen Alleingänge in Frage. Wenn die Bündnispartner die Ukraine mit Waffen bis hin zu Kampfpanzern beliefern, können und sollten auch deutsche dabei sein. Es sollte jedoch jederzeit allen klar sein, daß es hier keine deutsche Führungsrolle geben kann.