Vor 100 Jahren, am 19. Januar 1923, kam Markus Wolf in der schwäbischen Kleinstadt Hechingen zur Welt, wo anderthalb Jahrzehnte später auch der spätere BND-Chef Klaus Kinkel aufwachsen sollte.
Markus Wolf war der zweite Sohn des jüdischstämmigen, zum Kommunismus neigenden Arztes und Schriftstellers Friedrich Wolf. Im Alter von zehn Jahren emigrierte Markus Wolf 1933 mitsamt seiner Familie über Zwischenstationen in der Schweiz und Frankreich in die Sowjetunion, wo er seit 1934 lebte und zum glühenden Kommunisten und überzeugten Stalinisten heranwuchs. In seinem Erfolgsbuch „Die Troika: Geschichte eines nichtgedrehten Films“, erstmals 1989 erschienen, hat Wolf darüber berichtet. Ab 1943, mit 20 Jahren, wurde er in Moskau als Sprecher und Mitarbeiter des deutschsprachigen Propagandasenders „Deutscher Volkssender“ tätig. Seit Mai 1945 weilte der nunmehrige Sowjetbürger Wolf als sowjetischer „Kontrolloffizier“ wieder in Berlin und war in der frisch entstandenen DDR anfangs für eine Karriere als Diplomat vorgesehen. Doch diese entwickelte sich wenig später anders als geplant.
Nach den Mißerfolgen seines Amtsvorgängers Anton Ackermann berief man den 28jährigen Markus Wolf 1951 an die Spitze des damaligen DDR-Auslandnachrichtendienstes, genannt „Institut für wirtschaftswissenschaftliche Forschung“, welches 1953 ins MfS eingegliedert wurde. Hier hatte der kultivierte und weltläufige Wolf gar manchen Strauß mit dem ihm intellektuell weit unterlegenen Erich Mielke auszufechten, welcher jedoch dem in der Sowjetunion gut vernetzten Wolf nie ernsthaft etwas anhaben konnte. Selbst als infolge der von Markus Wolfs HVA verursachten Guillaume-Affäre, nach der gegen den Willen der DDR-Führung Bundeskanzler Willy Brandt stürzte, konnte dies Markus Wolf nicht schaden.
Wolf schadete erst im Jahr 1986 der Umstand, daß er sich nach seiner zweiten Scheidung ausgerechnet mit einer Frau zusammentat, die einstmals wegen versuchter Republikflucht in DDR-Haft gesessen hatte. Daraufhin wurde der 63jährige, nunmehrige MfS-Generaloberst Markus Wolf in allen Ehren in den Ruhestand entlassen. Dem hochintelligenten Wolf blieb in den Folgejahren natürlich nicht verborgen, daß der DDR-Sozialismus auf einen Abgrund zuraste. Ähnlich wie unter Gorbatschow der Rote-Armee-Generaloberst Dmitri Wolkogonow und der KGB-General Oleg Kalugin versuchte sich nunmehr Markus Wolf als „Reformer“ zu profilieren, wurde aber in dieser Rolle auf der Großdemonstration vom 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz lautstark ausgepfiffen.
Die nächsten Jahre verbrachte Wolf als Gejagter auf der Flucht. Angeblich boten ihm sowohl CIA wie auch der Mossad Straffreiheit und gute finanzielle Dotierung, sollte er sie in die Geheimnisse der DDR-Auslandsspionage einweihen. Doch nach einem längeren Abstecher in die zerfallende Sowjetunion kehrte der Lebenskünstler Wolf 1993 in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Hier durchlief er mehrere Strafverfahren und saß sogar eine Zeitlang in Haft, wo dem Gourmet, wie er in seinem Buch „Geheimnisse der russischen Küche“ (1995) bedauernd feststellte, keine Extrawurst in der Gefängnisküche gebraten wurde. Wolf verfaßte anschließend seine Memoiren, wobei er das wirklich Wichtige natürlich weiterhin verschwieg. Er war aber dadurch finanziell gut abgesichert, trat gern als eloquenter Gast in Talkshows auf und gab Presseinterviews als Zeitzeuge. Wolf lebte in Berlin und verstarb am 9. November 2006. Wie es einem Kommunisten seines Ranges zukam, wurde er in der „Gedenkstätte der Sozialisten“ auf dem Zentralfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde beigesetzt.