© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 03/23 / 13. Januar 2023

Weitere Verteuerung
Wirtschaftspolitik: Emissionshandel bringt 13,2 Milliarden Euro für Klimafonds / EU-Ausweitung auf alle Bereiche geplant
Marc Schmidt

Der Klima- und Transformationsfonds (KTF) verbuchte voriges Jahr Rekordeinnahmen: 13,2 Milliarden Euro aus der „CO2-Bepreisung“ flossen dem bundeseigenen „Sondervermögen“ zu – 6,8 Milliarden Euro flossen aus dem 2005 gestarteten EU-Emissionshandel (EU-ETS) und 6,4 Milliarden Euro dank des schwarz-rot-grünen Brennstoff­emissionshandelsgesetzes (BEHG). 2021 brachten EU-ETS und BEHG lediglich 12,5 Milliarden Euro ein. Zusätzlich leitete das Ampelkabinett im Dezember 2021 unglaubliche 60 Milliarden Euro aus dem zweiten Corona-Nachtragshaushalt in den KTF um: Als „Booster“ für die Wirtschaft und als „kraftvoller Aufbruch in eine klimaneutrale und digitale Zukunft Deutschlands“, wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) befand.

Der vorweihnachtliche Milliardentransfer konnte von der Unionsfraktion nicht skandalisiert werden: Die große Koalition hatte 2020 immerhin 26,2 Milliarden Euro aus der Pandemiefolgenbekämpfung in den damals noch Energie- und Klimafonds (EKF) genannten Schattenetat abgeleitet. Der EKF ist – wie auch die zusätzliche Ticketsteuer (Luftverkehrabgabe) – eine schwarz-gelbe Erfindung von 2010, mit der Zusatzausgaben „zur Förderung einer umweltschonenden, zuverlässigen und bezahlbaren Energieversorgung“ sowie „internationaler Klima- und Umweltschutz“ finanziert werden sollten. Milliardenschwere „Sondervermögen“ sind also nicht erst seit Sars-Cov-2 gang und gäbe. Im Rahmen des EU-ETS werden Kohle- und Gaskraftwerke, Industrieanlagen und der innereuropäische Luftverkehr dazu gezwungen, für jede Tonne ihres errechneten CO2-Ausstoß Emmissionszertifikate aus einer künstlich verknappten Menge zu kaufen. Deutschland erhält gemäß seiner CO2-Menge einen Anteil an den ETS-Einnahmen für seinen KTF. Und wer bezahlt dafür? Die Stromkunden, Wirtschaft und Konsumenten sowie die Flugpassagiere – jedoch ohne eine genaue Preisangabe. Denn auf der Stromrechnung ist nur der Posten „Beschaffung, Vertrieb“ zu finden: 2017 waren das laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) im Schnitt 5,71 Cent pro Kilowattstunde (kWh). 23,57 Cent (80 Prozent von 29,28 Cent Gesamtpreis) waren die diversen deutschen Abgaben, Steuern und Umlagen.

„Historischer Durchbruch für den Klimaschutz – trotz aller Krisen“

Die damaligen ETS-Kosten von fünf Euro pro Tonne CO2 erhöhten den Braunkohlenstrompreis um etwa 0,6 Cent/kWh. 2022 kletterte der Strompreis auf 40,07 Cent – 20,64 Cent davon entfielen auf „Beschaffung, Vertrieb“. Wegen der auf 80 Euro pro Tonne CO2 erhöhten ETS-Kosten verteuerte sich heimischer Braunkohlenstrom um 9,4 Cent – völlig unabhängig vom Ukraine-Krieg. Der verteuerte nur Gas, Steinkohle und Öl. Die deutschen Abgaben, Steuern und Umlagen summierten sich 2022 auf 19,43 Cent (48 Prozent) – das waren 4,27 Cent weniger als 2017. Vor allem weil die EEG-Umlage für Ökostromerzeuger (2017: 6,88 Cent) seit Juli 2022 indirekt via BEHG und Bundeshaushalt finanziert wird.

Das 2019 ohne Brüsseler Zwang eingeführte „nationale Emissionshandelssystem“ (nEHS) im Rahmen des BEHG kassiert nicht beim Anlagenbetreiber, sondern bei den Tankstellen und den Gaslieferanten ab. Diese reichen die BEHG-Kosten (2023: 30 Euro pro Tonne CO2) an die Verbraucher weiter. Das verteuert Benzin um 8,4 Cent pro Liter. Diesel und Heizöl werden so um 9,5 Cent teurer – egal, welchen Preis die Ölscheichs, Kasachstan, die USA, Großbritannien oder Norwegen aktuell verlangen. Die 0,55 Cent BEHG-Kosten pro kWh Erdgas sind angesichts eines Durchschnittspreises von 20 Cent (2022) inzwischen nur „Peanuts“.

Doch 2017 kostete Erdgas nur 5,73 Cent pro kWh. Und 2024 steigen die BEHG-Kosten auf 35 und 2025 auf 45 Euro pro Tonne CO2. Ist danach endlich mit einer Atempause zu rechnen? Nein, die BEHG-Kosten sollen ab 2026 sogar EU-weit erhoben werden – das deutsche nEHS wird praktisch zum „ETS 2+“. Zusätzlich sollen dann auch kleinere Betriebe, das Handwerk, die Schiffahrt und die Müllverbrennung schrittweise dem ETS-Zwang unterliegen. Das beschlossen vor Weihnachten Vertreter von EU-Parlament und der 27 Mitgliedsstaaten – eine logische Konsequenz des 2021 präsentierten „Fit for 55“-Klimaplans der EU-Kommission. Damit soll der Ausstoß von „Treibhausgasen“ bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Ausstoß von 1990 reduziert werden.

Dies sei „das größte Klimaschutzgesetz aller Zeiten“, jubelte der 57jährige Peter Liese (CDU), seit 28 Jahren ununterbrochen Abgeordneter im EU-Parlament. Robert Habeck sah einen „historischen Durchbruch für den Klimaschutz“. Die EU gehe damit voran und beweise „Entschlossenheit – allen Krisen zum Trotz“, so der grüne Wirtschaftsminister. Die ärmeren EU-Länder stimmten der weiteren Energieverteuerung ebenfalls zu: Sie wurden mit einem „Klima-Sozialfonds“ von 86,7 Milliarden Euro, kostenlosen ETS-Zertifikaten für die Chemie-, Keramik-, Papier- und Glasbranche und einigen Ausnahmen „überzeugt“. Und durch den Umstieg von Kohle- auf Atomkraft sollen die Strompreise nicht ins Unermeßliche steigen.

Die ETS-bedingte Abwanderung von Aluminium-, Dünger-, Kupfer-, Stahl- und Zementherstellern sowie ähnlich energieintensiver Branchen und den Import solcher Güter soll ein „CO2-Zoll“ (Carbon Border Adjustment Mechanism/CBAM) verhindern. Doch dies verstößt potentiell gegen internationales Recht und die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO). China, Indien, die Türkei und vor allem die USA werden solche EU-Klima-Strafzölle sicher nicht hinnehmen – Gegenzölle für europäische Exporte wären unausweichlich.

Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt):

 www.dehst.de

 www.tech-for-future.de